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Die Statistik spricht dafür, dass sich Justitias Waage eher zu Ungunsten der Fremden neigt.

APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Zwischen Recht sprechen und über Recht sprechen besteht in der Justiz ein Unterschied. Speziell, wenn es sich um heikle gesellschaftspolitische Themen wie Fremde und Kriminalität handelt. Versucht man zum Beispiel am Wiener Landesgericht einen Richter oder eine Richterin mit dem Schwerpunkt Drogenkriminalität zu finden, die subjektive Eindrücke über Unterschiede zwischen in- und ausländischen Tätern und deren Delikten schildern sollen, wird man enttäuscht. Zu heikel, wird von allen Seiten beschieden.

Unter der Hand berichten die Vertreter der unabhängigen Rechtsprechung ihre Erlebnisse durchaus. Vom armen Teufel ist genau so die Rede wie von dem Ärger, wenn ein ausländischer Angeklagter schon zum dritten Mal vor einem steht und aus welchen Gründen auch immer nicht abgeschoben wird.

Etwas strengere Strafen

Die Statistik spricht dafür, dass sich Justitias Waage eher zu Ungunsten der Fremden neigt. Ausländer wurden in den vergangenen fünf Jahren in Österreich stets um eine Spur öfter verurteilt als Österreicher. Im Vorjahr waren zum Beispiel 28 Prozent der Tatverdächtigen Fremde, bei den Verurteilungen lag ihr Anteil aber bei 30 Prozent.

Auch die Wahrscheinlichkeit, überhaupt auf der Anklagebank Platz nehmen zu müssen, ist für Ausländer etwas höher. Während bei Österreichern seit 2003 zwischen 17 und 18 Prozent aller Verdächtigen auch zu Verurteilten geworden sind, waren es bei Fremden zwischen 19 und 20 Prozent. Ein Grund dafür dürfte sein, dass die "diversionellen Maßnahmen" wie gemeinnützige Arbeit, Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung lieber bei Sesshaften angewandt werden.

Eine andere Variable darf nicht übersehen werden: Verteidigung ist bedeutend schwieriger, wenn man einen Übersetzer braucht, um mit dem Gericht kommunizieren zu können. Vor allem, wenn es für die eigene Sprache gar keinen Dolmetscher gibt.

Über 500 Übersetzer für 50 Sprachen stehen in der Liste des "Österreichischen Verbandes der gerichtlich zertifizierten Dolmetscher", die allerdings absolut nicht gleichmäßig verteilt sind. Für Schwedisch und Japanisch gibt es beispielsweise je fünf Dolmetscher. Der Bedarf ist überschaubar: 76 schwedische Tatverdächtige hat die Polizei im Jahr 2006 aufgespürt, Japan kommt in dieser Polizeistatistik überhaupt nicht vor.

Für die über 2000 Verdächtigen aus Georgien hingegen steht exakt eine zertifizierte Übersetzerin in Wien zur Verfügung. Bei den 1600 möglichen Tätern aus Nigeria, die im Jahr 2006 erwischt worden sind, ist die Lage noch eindeutiger. Für die drei Hauptsprachen des großen westafrikanischen Landes existiert in Österreich laut Verbandsliste nicht ein einziger Dolmetscher.

Das Resultat des Mangels sind oft Notlösungen. Bei ersten Vernehmungen durch die Richter und Staatsanwälte verständigt man sich "mit Händen und Füßen". Für ausführlichere Gespräche verlassen sich Polizei und Gericht dann oft auf persönlich bekannte Sprachkundige.

Umstrittenstes Beispiel dafür war die "Operation Spring". Bei dem größten kriminalpolizeilichen Einsatz der Zweiten Republik, deren Ziel die Zerschlagung eines Rings vorwiegend nigerianischer Drogenhändler war, nahm so ein Laien-Dolmetscher eine dubiose Rolle ein. Er übersetzte Tonbandaufnahmen von Überwachungsaktionen. Als bei einem der Gerichtsprozesse ein zweiter Übersetzer beigezogen wurde, zeigten sich aber teils deutliche Unterschiede bei den Inhalten. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.8.2008)