Noch 50 Tage. Das ist nicht sehr viel Zeit in der Politik, um zentrale Fragen zu beantworten: Wofür steht Werner Faymann eigentlich? Und wofür die SPÖ? Was will der Spitzenkandidat? Was die Partei?
Die SPÖ schaffte es in den vergangenen Wochen seit der Demontage von Alfred Gusenbauer als Kanzlerparteichef nicht, zu einem klaren Profil zu kommen. Das Image der Umfallerpartei haftet noch immer an ihr. Deshalb ist das Bemühen nicht zu übersehen, klare Ansagen im Wahlkampf zu vermeiden, die wie ein Bumerang wirken können.

Das Wahlmanifest der SPÖ liefert keine Überraschungen und ist auf die Stammklientel ausgerichtet: eine Lohnsteuersenkung 2009, die Abschaffung der Studiengebühren, die Einführung einer Gesamt- und Ganztagsschule sowie die Verlängerung der Hacklerregelung und höhere jährliche Pensionsanpassungen.
Der Realitätsgehalt ist begrenzt: Eine Steuerreform 2009 geht sich zeitlich nicht mehr aus. Aber wer will in Wahlkampfzeiten schon auf solche Kleinigkeiten Rücksicht nehmen? Die Studiengebühren hätte die SPÖ längst abschaffen können. Wer soll das noch glauben? Die unverbindliche Ansage "höhere jährliche Pensionsanpassungen" werden nicht einmal die Betroffenen als Versprechen ernst nehmen.

Unterm Strich will die SPÖ den Eindruck vermitteln, wieder sozialer werden zu wollen. Ein bisschen hier etwas geben, ein bisschen da - vor allem der eigenen Wählerklientel, ohne die "anderen", insbesondere die Wirtschaft, zu verprellen.

Das ist auch bei Werner Faymanns Auftritt auf dem Parteitag deutlich geworden. Die Chance, ein klares Profil von sich zu zeichnen, die eigenen Standpunkte deutlich zu machen, hat er vergeben. Nur ja niemanden zu verprellen ist sein Bestreben. Dann braucht man nach dem Wahltermin nicht allzu viel zu streiten, wenn man vorher nicht allzu viel versprochen hat. Schließlich ist schon genug gestritten worden.

Und worüber lohnt es sich denn überhaupt noch zu streiten? Warum über den Tellerrand, über die Grenzen zu schauen? Reicht es nicht, es sich im eigenen Land zu richten? Wozu die EU?

Es ist bezeichnend, dass sich im Wahlmanifest keine Antworten auf die drängenden Fragen finden, wie es in diesem Land weitergehen kann. Dabei spürt jeder die Auswirkungen der Entwicklungen in der Weltwirtschaft an der Tankstelle oder im Supermarkt. Österreich kann sich nicht einfach abkoppeln und - wie bei der AUA - eine austriakische Schutzklausel einführen.

Die Enttäuschung der SPÖ-Mitstreiter in dem offenen Brief, den Ferdinand Lacina initiiert hat, ist nachvollziehbar. Insbesondere die Kritik an der "würdelosen Anbiederung führender Funktionäre an die Kronen Zeitung" . Wann, wenn nicht jetzt ist der Zeitpunkt, die Besorgnis über verlorengegangene Internationalität und die Anprangerung der Missachtung demokratischer Spielregeln anzubringen? Die Entschuldigung Faymanns, dass er den Schwenk in der EU-Politik mittels Krone dem Volk verordnet hat, ist genauso wenig glaubwürdig wie seinerzeit Jörg Haiders "Von mir aus" -Sager.

Das Kleinformat ist unter Werner Faymann zur bestimmenden Größe geworden - in der SPÖ, aber auch darüber hinaus: Klein-Klein für die Wohlfühlgesellschaft im wunderbaren Wellnessland Österreich. Auch die ÖVP hat bisher nichts angeboten als Molterers kontrolliert-emotional vorgetragene "Es reicht" -Ausrufe. Das reicht auch nicht. Angesichts der Lage der bisherigen Großparteien besteht die Gefahr, dass der Kleingeist über den Wahltag hinaus wirkt. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 9.8.2008)