Neue Begriffe ziehen die Aufmerksamkeit auf sich wie Magneten Metall. Am Donnerstag hat die offenbar um ihr Law-and-Order-Profil besorgte Innenministerin Maria Fekter den Ausdruck "Kulturdelikt" für kriminelle Taten, die aufgrund sogenannter traditioneller Einstellungen von Einwanderern begangen werden, erstmals in den Mund genommen. Am Wochenende weisen Internetsuchmaschinen bereits beachtliche Trefferquoten zu dem Wort auf.

Der neue Ausdruck wird beäugt und beredet. Das geht von anfänglichen Missverständnissen - eine Kollegin assoziierte mit "Kulturdelikt" zuerst Diebstähle religiöser Gegenstände aus Kirchen in Osteuropa - bis hin zu Zustimmung und zu Ablehnung, wie sie am Freitag etwa von Justizministerin Maria Berger kam. Und damit liegt er und pickt er, der neue Begriff. Vielen Menschen scheint er eine Auseinandersetzung wert. Und dabei ist er doch, präzise betrachtet, nur ein weiterer Ausdruck des Wunsches, "uns Österreicher" und "die Ausländer" im Land als zwei voneinander klar zu unterscheidende Gruppen zu benennen - und Misstrauen gegen "die Ausländer" zu schüren.

Mit ehrlichem Bemühen, Ehrenmorde, Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung zu benennen und den Betroffenen zu helfen, hat ein solches Begriffebilden sechs Wochen vor der Wahl nichts zu tun. Dafür bräuchte es breite Aufklärungskampagnen und gutdotierte Opferschutzprogramme sowie den Mut, sich gegen falsche Toleranz zu wehren, die vor einem frisch eingewanderten Familienpatriarchen ebenso in die Knie geht wie - Stichwort Amstetten - vor ähnlichen einheimischen Exemplaren. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.8.2008)