Jerusalem/Beirut - Das libanesische Parlament hat am Freitagabend in Beirut mit der mehrtägigen Debatte der Regierungserklärung des vor knapp einem Monat gebildeten Allparteienkabinetts begonnen, in der das "Widerstandsrecht" der schiitischen Hisbollah gegen Israel anerkannt wird. Ministerpräsident Fouad Siniora unterstrich vor den Abgeordneten, dass die Autorität des Staates absoluten Vorrang haben müsse. Der Premier forderte das "Ende des Abenteurertums" und spielte damit offenbar auf die Entführung von zwei israelischen Soldaten und den Raketenbeschuss an, mit denen die Hisbollah-Miliz vor zwei Jahren den 34-tägigen Krieg provoziert hatte. Die Bevölkerung dürfe nicht mehr zur "Geisel" genommen werden, sagte der sunnitische Politiker Siniora.

Der mit der Hisbollah verbündete christliche Führer der "Freien Patriotischen Bewegung" und Ex-Armeechef General Michel Aoun hob die "Komplementarität" der regulären Streitkräfte und des "Widerstandes" bei der Verteidigung des Landes und der vollständigen Befreiung seines Territoriums hervor. In der Regierungserklärung heißt es, "das libanesische Volk, seine Armee und sein Widerstand" hätten das Recht, von Israel besetztes Land zu befreien, nämlich die sogenannten Shebaa-Farmen, den Kfarchouba- und den Ghajar-Hügel.

Vetorecht in der Regierung

16 der 30 Regierungsmitglieder stellt die pro-westliche Mehrheitskoalition, elf das von der Hisbollah angeführte frühere Oppositionsbündnis, drei wurden vom neuen Staatspräsidenten General Michel Sleimane ausgesucht, dessen Konsenswahl durch das Parlament Ende Mai der Bildung der "Regierung der nationalen Einheit" vorausgegangen war. Zuvor hatten die Konfliktparteien nach Verhandlungen unter Schirmherrschaft der Arabischen Liga in Doha in Katar ein Abkommen geschlossen, das der Hisbollah und ihren Verbündeten faktisch ein Vetorecht in der Regierung sicherte. Der Hisbollah-Abgeordnete Hassan Fadlallah erklärte am Freitag, seine Bewegung sei stärker als vor dem Krieg vom Sommer 2006 und werde nicht darauf verzichten, ihre "Kapazitäten weiter zu vergrößern".

Israel geht davon aus, dass die neue libanesische Regierung "auf der ganzen Linie" vor der Hisbollah "kapituliert" und deren Forderungen vollständig erfüllt habe, wie in Jerusalem ein hoher Regierungsvertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte, nach Beratungen des Sicherheitskabinetts sagte. Nach Informationen der israelischen Geheimdienste habe die libanesische Armee ihre Kontrollen der Waffenlieferungen an die Hisbollah von Syrien aus "völlig eingestellt". Die Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates vom August 2006, durch die eine Waffenruhe herbeigeführt wurde, verlangte die Entwaffnung aller bewaffneten Gruppen im Libanon.

Gipfeltreffen mit Bashar al-Assad

Sleimane wird am Mittwoch zu einem Gipfeltreffen mit Syriens Staatschef Bashar al-Assad nach Damaskus reisen. Die Regierungserklärung enthält ein Bekenntnis zu "brüderlichen" Beziehungen mit Syrien "auf der Basis der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Respekts". Die Normalisierung der bilateralen Beziehungen war am 12. Juli zwischen den beiden Präsidenten am Rande des Gründungsgipfels der Mittelmeerunion in Paris vereinbart worden. Syrien hatte während des libanesischen Bürgerkrieges (1975-90) mit einem Mandat der Arabischen Liga die Rolle einer Ordnungsmacht in dem kleinen Nachbarland übernommen und seine Truppen erst nach der "Zedernrevolution" im Frühjahr 2005 abgezogen. (APA/AFP/AP)