Seit Tagen lastet ein Kellner auf meinem Gewissen. Jener, der Gäste in einem Wiener Lokal vor dem dort angebotenen Himbeersturm wie folgt gewarnt hat: "Der schmeckt weder nach Himbeeren noch nach Sturm. I find, der schmeckt nach null." Als ich das schrieb, hätte ich wissen müssen, dass der Chef des beliebten Donaustädter Hauses, welches sinngemäß "Ausgezeichnet" heißt, die Ansage seiner Servierkraft nicht sehr witzig finden würde, schon gar nicht, wenn er sie in der Zeitung liest.

Nun will der Chef von mir erfahren, wann der Vorfall war, um den zitierten Kellner ausfindig zu machen, um ihn zu schelten. Aber ich halte dicht, ich verrate ihn nicht. Für mich ist er ein kleiner Gastro-Held, einer, der gegen den Werbestrom schwimmt, einer, dem die Wahrheit am Herzen und das Herz am Gaumen liegt, einer, dem der Wohlgeschmack von uns Gästen wichtiger ist als der Produktabsatz.

Vielleicht hatte das begehrte Getränk einfach einen schlechten Tag, und der Kellner wollte nicht Gschloder kosten und Wasser predigen, sondern reinen Wein einschenken. Also bitte, lieber Chef: Sehen Sie dem aufrichtigen Mann seine wagemutige Sturmwarnung nach. (Daniel Glattauer/DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2008)