Dass das grüne Wasser des Donaukanals krebserregende Stoffe enthalten soll, hält die SPÖ für Teil "beliebten Wien-Bashings". Der Forscher, der die Karzinogene entdeckte, hält das Ergebnis für ernst

Foto: STANDARD/ Heribert Corn

Jetzt wurde die Sache publik, und die SPÖ Wien hat ein Problem - Der EU-Badegewässer-Richtlinie entspricht der Kanal jedoch mit oder ohne karzinogene Stoffe derzeit nicht - Von Petra Stuiber

***

Wien - Siegfried Knasmüller ist nicht irgendwer. Er ist ein renommierter Umwelttoxikologe, leitet eine Arbeitsgruppe am Institut für Krebsforschung an der Med-Uni Wien - und neuerdings ist er so etwas wie der Gottseibeiuns der roten Wiener Stadtverwaltung. Wegen seiner Forschungsergebnisse schrieb profil vom "Skandalkanal", seinetwegen warnten mehrere Zeitungen am Wochenende vor dem "Gift-Alarm im Donaukanal".
Knasmüller ist der Grund, warum beim Sprecher von Wiens Umweltstadträtin Uli Sima (SPÖ) am Sonntag das Handy glühte, und der Wiener SPÖ-Landesparteisekretär Harry Kopietz in Richtung Opposition wetterte, die solle ihm nicht mit "unhaltbaren Vorwürfen" kommen. Der Forscher brachte die Stadt gehörig in Erklärungsnot.

"Erhebliche Belastung"

Zwischen 1996 und 1999 hatte Knasmüller im Auftrag mehrerer Ministerien die Wasserqualität in der Mitterndorfer Senke überprüft. Um Vergleichswerte zu bekommen, entnahm er 1999 und 2000 an zwei Stellen Proben aus dem Hauptstrom der Donau sowie an vier Stellen Proben aus dem Donaukanal. Er untersuchte das Wasser besonders auf das Vorhandensein krebserregender Stoffe. Das Ergebnis: Das Donauwasser reagierte nicht, die Proben aus dem Donaukanal sehr wohl - und zwar an jeder Entnahmestelle, mit jeder der angewandten Prüfmethoden über einen längeren Prüfzeitraum. Knasmüller fand vor allem heterozyklische aromatische Amine (HAAs), das sind Krebsstoffe, die beim starken Erhitzen von Fleisch, Fleischkomponenten oder Fisch entstehen. Zu profil sagte Knasmüller, dies stelle schon eine "erhebliche Belastung" des Gewässers dar.

Überprüfung sei beauftragt worden

In einem Brief an den Wiener Bürgermeister im Mai vorigen Jahres ersuchte der Forscher, seine Versuchsreihe wiederholen zu können - er soll keine Antwort erhalten haben, auch nicht auf einen zweiten Brief. Erst nach telefonischer Urgenz teilte man ihm im Umweltreferat der zuständigen Magistratsabteilung (MA) 45 mit, inzwischen sei die Ziviltechnikerfirma des emeritierten TU-Chemikers Werner Wruss mit der Überprüfung beauftragt worden. Die Proben auf heterozyklische Amine seien negativ ausgefallen.
Auf Anfrage des Standard sagt Sima-Sprecher Karl Wögerer, das Ergebnis dieser Gegenprobe liege "natürlich" schriftlich vor - im Augenblick habe er es freilich nicht bei der Hand. "Eigenartig" sei, dass Knasmüller seine Beobachtungen acht Jahre nach deren Entdeckung mitgeteilt habe: "Da kann man uns wohl kaum vorwerfen, wir wollten etwas vertuschen. Wir wussten nichts davon." Kopietz spricht von"beliebtem Wien-Bashing".

Radikale Aufklärung gefordert


Der Vorwurf geht primär in Richtung Rathaus-Opposition. Die FPÖ meint, Häupl und die SPÖ ließen die Wiener Bevölkerung "blöd sterben", ÖVP-Stadtrat Norbert Walter meinte, Kopietz' Zynismus sei wohl kaum mehr zu toppen, und die Grünen forderten "radikale Aufklärung". Immerhin hatten sie gefordert, den Donaukanal zum Stadt-Badeplatz zu machen.

Das, sagt Wögerer, sei freilich "so oder so nur schwer möglich": Der EU-Badegewässer-Richtlinie entspricht der Kanal mit oder ohne karzinogene Stoffe derzeit nicht. Dazu sieht man im grünen Flusswasser nicht tief genug. (Petra Stuiber/ DER STANDARD Printausgabe 11.8.2008)