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Zehn neue Bären in Österreich sind "das absolute Minimum", sagt Bärenanwalt Walter Wagner. Das Überleben der heimischen Population sei auch dann noch unsicher.

Foto: APA/dpa/Harald Tittel

Linz/Wien - Mariedl, Christl und Rosemarie sind spurlos verschwunden. Sie sind nur einige der Braunbären in Österreich, die in den vergangenen Jahren plötzlich nicht mehr da waren. Weibchen gibt es in den heimischen Wäldern derzeit gar keines. 1999, als die größte Dichte von Braunbären in Österreich gemessen wurde (zwölf Tiere in den Kalkalpen), war auch gleichzeitig eines der Jahre, in denen mehr Tiere als zu anderen Zeiten plötzlich verschwanden.

"Jetzt drohen die Bären ein zweites Mal auszusterben", sagt WWF-Bärenprojektleiter Christoph Walder. Derzeit streifen nur noch zwei Exemplare durch die heimischen Wälder. Bis vor rund 20 Jahren waren die Bären bereits komplett ausgerottet gewesen. Damit das nicht noch einmal passiert, plant der WWF nun, zehn Bären aus Slowenien ins Land zu holen. Im Herbst werde "mit allen Beteiligten wieder an einem Runden Tisch geredet", sagt WWF-Bärenprojektleiter Christoph Walder. Man sitze mit Waldbesitzern, Vertretern der Imker, Jäger, Wirtschaftskammer und der Länder an einem Tisch und diskutiere Einwände aus.

In Oberösterreich gab die Politik inzwischen grünes Licht für die Ansiedlung von Bären. In Niederösterreich und in der Steiermark herrscht noch Skepsis. Niederösterreichs Umweltlandesrat Josef Plank (VP) forderte, die Hintergründe für das Verschwinden der Bären aufzuklären, bevor man neue Tiere ins Land hole. Das Kuratorium Wald und der Umweltdachverband teilen diese Meinung. Das entspräche auch den Richtlinien der World Conservation Union.

Einer der Bärenanwälte scheint angesichts der ablehnenden Haltung vieler Beteiligter zu resignieren. "Mir geht langsam die Kraft aus. Die Fronten sind so verhärtet, und wir waren von einer Aussiedlung wahrscheinlich noch nie weiter weg als jetzt", seufzt Bären-Anwalt Walter Wagner im Standard-Gespräch. Zehn neue Bären seien das absolute Minimum: "Mit zehn Bären lässt sich eine Population von etwa vierzig Bären aufbauen." Einen der Gründe, warum der Braunbär in Österreich so wenig Tatze fassen kann, sieht Wagner darin, dass das Tier hier nach wie vor als Exot gilt. "In Slowenien gibt es eine stabile Population von rund 600 Tieren. Der Bär war dort nie ausgestorben, und die Menschen haben gelernt, mit ihm zu leben", sagt Wagner.

Illegale Abschüsse möglich

Dass es, wie von vielen Aussiedlungs-Gegnern gefordert, zuerst der Aufklärung bedürfe, warum die Bärenpopulation in Österreich so stark gesunken ist, glaubt Wagner nicht: "Eine hundertprozentige Aufklärung wird es nie geben. Und es sind ja genug Gründe bekannt: Abwanderung, natürliche Mortalität, und leider gibt es eben auch Hinweise auf illegale Abschüsse."

Klares Indiz dafür sei auch, dass die Mortalität unter zweijährigen Bären in Österreich doppelt so hoch sei wie in etwa in Schweden. Illegale Abschüsse ließen sich zwar eindämmen, ganz könne man sie aber nie ausschließen. "Einzige Lösung daher: Eine Population aufbauen, die illegale Abschüsse und natürliche Todesursachen verträgt. Davon können wir im Moment nur träumen", sagt Wagner.

Die Rufe nach mehr Bären im heimischen Wald scheinen, wie ORF Tirol berichtet, zumindest im Tiroler Sellraintal erhört worden zu sein. Laut Bürgermeister Norbert Jordan wurde auf einer Weide der Kopf eines Kalbes gefunden. Und gerüchteweise soll erst kürzlich ein Bär gesichtet worden sein. (Markus Rohrhofer und Gudrun Springer/DER STANDARD, Printausgabe, 13.8.2008)