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Tischtennis ist die inoffizielle Religion der Chinese

Foto: AP / Suzuki

Peking - In keinem anderen Land besitzt Tischtennis auch nur annähernd einen so hohen Status wie in China. Für die Chinesen freilich ist der Weg zum gefeierten Volkshelden geprägt von Drill, Verzicht und Unterwerfung. Selbst Weltmeistern und Olympiasiegern werden rigorose Vorschriften gemacht. Im Trainingslager leben sie unter einfachsten Bedingungen. Und sie akzeptieren es - ohne Murren, ohne Kritik, ohne Protest. Schließlich ist alles ganz einfach. Wer nicht mitzieht, fliegt aus der Mannschaft.

Den Drill erlebten Weltmeister Wang Liqin oder Olympiasiegerin Zhang Yining bereits im frühen Kindesalter. In Tischtennis-Schulen wird der Nachwuchs konsequent herangezogen, die Besten kommen auf die fünf Elite-Schmieden des Landes. Dort leben die Achtjährigen im immergleichen Rhythmus: Training, Schule, Training. Hinzu kommen Taktik- und Materialschulung.

Der Anreiz für die Kinder ist groß. Bereits im Alter von zwölf Jahren verdienen die staatlich geförderten Stars der Zukunft mehr als ihre Eltern. Wer seine Karriere nicht frühzeitig beenden will, muss mit etwa 14 Jahren den Sprung in eines der professionellen Provinz-Teams schaffen. Aus diesen rekrutiert schließlich das Nationalteam seine Spieler. Doch dieser letzte Schritt gelingt nur einem Bruchteil.

Für die meisten Chinesen ist es deutlich schwieriger, sich gegen die nationale als gegen die internationale Konkurrenz durchzusetzen. Das haben sie mit österreichischen Skifahren gemeinsam. Wer es im eigenen Land nicht schafft, zieht in die Fremde. In Peking sind in den Einzelkonkurrenzen etwa die Hälfte der Teilnehmer gebürtige Chinesen. Für Österreich wirken bei den Spielen die Damen Liu Jia und Li Qiangbing sowie Herr Chen Weixing.

Die Stars im Reich der Mitte führen in ihrer Heimat ein Leben im Luxus, werden bei schwachen Leistungen jedoch auch gnadenlos öffentlich diffamiert. "Er spielt manchmal, als wäre er geisteskrank. Hoffentlich spielt er nie wieder diesen blödsinnigen Müll, vor allem nicht in Peking", kanzelte ein Trainer Wang Liqin nach einer Niederlage gegen einen drittklassigen Gegner vor versammelter Journalistenschar lautstark ab.

Der Verband kontrolliert seine Tischtennis-Soldaten, wo er nur kann. Als Sydney-Olympiasieger Kong Linghui im vergangenen Jahr seinen Porsche nach einer Alkoholfahrt in ein Taxi setzte, wurden die Oberen hellhörig. Im Hinblick auf die Spiele untersagten sie den aktuellen Nationalspielern während der Saison nicht nur den Alkoholgenuss, sondern auch das Autofahren.

Schlager wieder fit

Werner Schlager, Weltmeister 2003, hat sich von seiner fiebrigen Erkältung erholt und am Dienstag im olympischen Tischtennis-Komplex gut trainiert. Die vorgesehene einstündige Einheit in der Haupthalle überzog der 35-Jährige um mehr als das Doppelte. Seinem Einsatz am Mittwoch im Auftakt des Teambewerbs um 8.30 Uhr MESZ gegen Australien sollte nichts im Weg stehen. Schlager hatte in der Nacht auf Montag Schüttelfrost und Fieber bekommen.

Das Einzelbewerb ist für die zweite Olympiawoche angesetzt. Und sollte es Schlager bis ins Achtelfinale schaffen, würde er dem amtierenden Weltmeister Wang Liqin begegnen, falls es auch der so weit schafft. Aber wer weiß, vielleicht spiel Wang wieder "blödsinnigen Müll". (sid, red)