Mit "Es reicht!" fing es an aufzuhören. Große Koalition gesprengt. Wahlkampf eröffnet. ÖVP-Chef Wilhelm Molterer reicht's noch immer.

Werner Faymann hat genug gestritten, jetzt wird er als "Die neue Wahl" angepriesen. Was genau neu ist, verrät er noch nicht.

Das tut Alexander Van der Bellen, indem er sagt, was nicht mit ihm geht.

Bei der FPÖ geht viel, auch Slogan-Recycling auf Selfmade-Plakaten.

Drei Parteien hängen schon. Die Wahlplakate der vierten zeigt der STANDARD schon vor der Affichierung: Die Grünen setzen in der ersten Plakattranche "vdb" groß in Kleinbuchstaben in Szene. Auf vier Sujets sagt Parteichef Alexander Van der Bellen, was alles "nicht mit mir" geht: "aufhetzen", "dauerstreit", "umfallen" und auch nicht "blockieren" (Agentur Super-Fi).

Werner Faymann hat bereits zehn Tage lang "genug gestritten", seit dem SPÖ-Parteitag präsentiert er sich in Runde zwei als "Die neue Wahl" (Demner, Merlicek & Bergmann). Der ÖVP reicht es wortreich und parteicheffotolos seit acht Tagen (Gull & Company). Die FPÖ ist nicht erst seit sechs Tagen auf ihren selbstgemachten Plakaten "für Euch", weil "sie" gegen "ihn", Heinz-Christian Strache, sind. Das ist sie schon seit 1994, nur damals hieß "er" Jörg Haider.

Werber zu den Wahlplakaten

Und was sagen Werber zu den Wahlplakaten? Am Anfang war Faymanns schwarz-schwarze Sakko-Krawatten-Kombi, die auffiel. Und das gar nicht mal so übel, findet der Kreative Daniel Gantner von gantnerundenzi: "In der modegeschmackbefreiten Politzone, Stichwort lässig geschulterte Lodenjanker oder kreative Sehbehelfe, ist das eine Wohltat fürs Auge."

Aber nicht nur das Auge isst im Wahlkampf mit: "Das Plakat schafft es nicht, mir eine zeitgemäße Sozialdemokratie zu präsentieren. Ein recht herkömmliches Déjà-vu", kritisiert Gantner. Der übrigens niemals für seine Kunden ein Logo am unteren Plakatrand platzieren würde, im Fachjargon die "Pisszone". Siehe da, in Runde zwei ist das SPÖ-Logo schon in die Mittellage hinaufgewandert.

Für Eduard Böhler von der Agentur Wien Nord sind die SPÖ-Plakate "nur auf den ersten Blick einfach gestrickt". Mit "Genug gestritten" versuche man "durchaus mit Raffinesse sprachlich einen Schlusspunkt unter die Koalitionszeit zu setzen, lässt aber auf charmante Weise offen, ob damit auch ein Schuldeingeständnis verbunden ist". Inhalte "müssen und werden folgen". Die plakatiert die laut Böhler "massiv auf Sachthemen setzende" ÖVP schon jetzt.

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Ja, mit einer Schlagseite, meint Gantner. Layouttechnisch an "Jesus-liebt-dich-Poster der katholischen Jungschar zum Weltjugendtreffen" erinnernd, sieht er inhaltlich einen "perfiden Fall vordergründiger Wahlkampftaktik: völlig ideenbefreite, inhaltlich und farbliche Anbiederung an die F-Partei".

Aus dieser Richtung droht ihr ja auch Abwanderungsgefahr, für Böhler zeigt die Auswahl der Slogans auf den blauen Plakaten der Schwarzen ("Ohne Deutschkurs keine Zuwanderung") daher, "wie ernst die ÖVP die Gefahr von rechts außen nimmt und wie wichtig ihr dieses Potenzial ist". Allerdings "scheinen die Botschaften aufgrund der Vielzahl der Inhalte schwer fassbar", meint Böhler.

Und die FPÖ? Böhler: "Bewährtes, das in ihrer Zielgruppe stets funktioniert, simple Botschaften in Ausverkaufs-Grafik: Jetzt kaufen!" Gantner kann dem blauen Selfmade-Layout durchaus etwas abgewinnen: "Erinnert mich an ein Quentin-Tarantino-Splattermovie. Anders, wahnwitzig auffällig, das ist schon mal gut." Wenn da nicht die Inhalte wären: "Zum Speiben."

Alexander "Nicht mit mir" Van der Bellens Sujet findet er "blutleer, langweilig", für Layout und Foto gibt es aber ein "Sehr gut".

Generell haben laut Gantner alle vier Partei-Slogans ein Manko: "Von einer exakten, für die Wähler nachvollziehbaren Positionierung - und das ist ja das Um und Auf jeder Kampagne - weit entfernt." (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD; Printausgabe, 13.8.2008)