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Hunderte Bauern kamen am Mittwoch aus dem ganzen Land in die Hauptstadt Sofia, um von der Regierung die Ausbezahlung von Födermitteln einzufordern.

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Bulgarische Milchbauern forderten am Mittwoch in Sofia vor dem Landwirtschaftsministerium mit einem Dudelsackkonzert mehr Agrarsubventionen und niedrigere Mehrwertsteuersätze für Milch und Fleisch.

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Dudelsackmusik erklingt um das Landwirtschaftsministerium in Sofia, dazwischen ertönen zornige Reden und Rücktrittsforderungen an den Minister. Zur selben Zeit stehen Schäfer mitsamt ihren Viehherden an der Grenze zu Griechenland und drohen, in das alte EU-Land umzuziehen, wo man in den Genuss von EU-Mitteln kommen kann: Die bulgarischen Milcherzeuger werfen dem Staat vor, ihre Branche zu ruinieren, und fordern die sofortige Auszahlung der versprochenen Qualitätsmilchsubventionen in der Höhe von zehn Cent pro Liter und eine um fünf Prozent niedrigere Mehrwertsteuer auf Milchprodukte und Fleisch. In Bulgarien gilt gegenwärtig ein einheitlicher Satz von 20 Prozent.

Kein Hinterhof der EU

Die Bauern drohten, die Grenzen ihres Landes für Milch- und Fleischerzeugnisse aus anderen EU-Staaten mit höheren Agrarsubventionen zu blockieren. Bulgarien sei "kein Hinterhof der EU" , sagten Demonstranten. Die Regierung in Sofia hat umgerechnet 30 Mio. Euro aus dem Staatshaushalt zur Unterstützung der Bauern zugesagt. Die Auszahlung dieser Gelder müsse jedoch mit Brüssel abgestimmt werden.

Brüssel hat kürzlich die Auszahlung von EU-Subventionen wegen der grassierenden Korruption in Bulgarien gestrichen. Bereits vergangene Woche kam es zu Protesten. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten wurden sieben Personen verhaftet, darunter auch Atanas Atanassov, der im Vorstand der Vereinigung der Milchbauern Bulgariens sitzt. "Wir haben die Lügen der Regierenden satt" , sagte er dem Standard. Die Milcherzeuger werden von anderen Bauern und der Opposition unterstützt. Sie fordern eine außerordentliche Parlamentssitzung zur Lösung der Agrarkrise. Solidarität kommt sogar aus dem Nachbarland. Der Leiter der Gewerkschaft der rumänischen Rinderzüchter, Kosta Karasch, ist extra zur Demonstration nach Sofia gekommen.

Die Bauern sind aus Erfahrung misstrauisch: Die schlechte Ernte ließ im Vorjahr die Futterpreise um 200 bis 300 Prozent steigen, der Milchpreis stieg jedoch nur um 20 bis 25 Prozent. Und die Subventionen und Kompensationen blieben zum Großteil nur ein leeres Versprechen. Um die 100.000 Tiere wurden deshalb in einem Jahr geschlachtet, sagt Atanassov. Ob die Zahl stimmt, kann niemand überprüfen, denn ein funktionierendes Identifikationssystem für Rinder gibt es in Bulgarien noch nicht. Deshalb geht es den demonstrierenden Bauern auch um eine Datenerfassung, die die transparente Verwaltung von Direktförderungen sichern soll.
Absichtlich verzögert

"Korrupte Beamte haben die Einführung dieses Systems absichtlich verzögert" , ist Ewgeni Georgiev, Landwirt aus dem Dorf Dalbok Dol in Zentralbulgarien, überzeugt. "Dagegen gibt es viele Geschäftsführer von landwirtschaftlichen Betrieben, die gar nicht wissen, wie ihr eigener Bauernhof aussieht, die aber EU-Agrarhilfen bekommen haben." Mittlerweile hätten sie längst ein neues Geschäft, und in ihren Ställen erinnere nur noch klappriges, verkümmertes Vieh an die Geldwäsche.
Ewgeni und seine Frau gehören zu den Bauern, die wie viele andere Bauern aufgrund der komplizierten bürokratischen Verfahren noch nicht mal versucht haben, durch die Sapard-Programme der EU zu Unterstützungen zu kommen. Sie haben ein kleines Unternehmen mit 40 Kühen, für deren Auswahl man sich der Dienstleistungen der österreichischen Firma Simmental bedient.

Im Jahr 2004 hat Ewgeni ein paar alte verfallende Gebäude von ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gegen einen Kredit von über 150.000 Euro gekauft. Die Familie kennt seit vier Jahren keinen Urlaub mehr. Besonders schwierig sei es im Winter, wo man den ganzen Tag den Stall putzen müsse, sagt Ewgeni. Bei den hohen Futter- und Ölpreisen würden nur das schöne Weideland um das Dorf und das gute Klima helfen, um über die Runden zu kommen.

Nach den Enthüllungen über die Veruntreuung von EU-Mitteln in Bulgarien hofft Ewgeni auf bessere Kontrolle über die Verwaltung von Hilfen und bessere Chancen für kleine Unternehmer wie ihn. (Diljana Lambreva aus Sofia/DER STANDARD, Printausgabe, 14.8.2008)