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Zur Person

Der Politikwissenschafter Alexander Russetzki leitet das Südkaukasus-Institut für regionale Sicherheit (Scirs) in Tiflis und ist seit Jahren in Friedensprojekten mit Abchasen und Südosseten engagiert.

 Der georgische Friedensaktivist Alexander Russetzki sieht Russland als Verantwortlichen für den Beginn des Kriegs im Kaukasus. In Wahrheit ging es um Russlands Status bei den Verhandlungen über Südossetien, sagt er Markus Bernath.

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STANDARD: Michail Saakaschwili hat mit der Entscheidung zum Angriff auf die südossetische Hauptstadt Zchinwali sein Land in Brand gesetzt. Ist es nicht Zeit für ihn, Konsequenzen zu ziehen und zurückzutreten?

Russetzki: Dieser Konflikt hat sich über die letzten Jahre entwickelt, und dabei hat auch die georgische Seite viele Fehler begangen. Es ist ein komplexer Konflikt. Russland ist Georgien in allen Belangen überlegen, auf der militärischen Seite wie im Bereich der Information. Der russische Geheimdienst arbeitet intensiv daran, Georgien als ersten Angreifer und Aggressor darzustellen, der schreckliche Kriegsverbrechen begangen hat. Ja, Georgien sieht die Situation anders. Es war und ist ein Kampf um das Format der Friedensverhandlungen in Südossetien. Georgien will Russland nicht als Vermittler, weil ein Vermittler nicht Teil eines Konflikts sein kann. Die internationale Gemeinschaft forderte seit langem ein neues Format für Verhandlungen

STANDARD: Was ist aus der georgischen Bevölkerung in Südossetien geworden?

Russetzki: Wie deren Lage ist? Es gibt keine Lage mehr. Ein Großteil der Frauen und Kinder wurde evakuiert, die Männer blieben in den Wäldern zurück, viele von ihnen sind mittlerweile tot. Nach unseren Informationen kamen systematisch große Wagen in die georgischen Dörfer, alles wurde gestohlen, die Häuser wurden dann in Brand gesteckt. Herr Tschurkin (russischer UN-Botschafter, Anm.) spricht im Sicherheitsrat von einem Genozid der Georgier an den Osseten. Es ist ein Pogrom gegen Georgier und Osseten. Opfer gibt es auf allen Seiten, es starben auch russische Soldaten des Friedenskontingents in Südossetien. Wir als Friedensorganisation sind gegen einzelne Opferzählungen, wir sehen dies als gemeinsame Tragödie. Die Verantwortlichen auf allen Seiten sollen vor ein internationales Tribunal.

STANDARD: Was bedeutet die Verteidigung der Separatistenregime und die russische Invasion in Georgien für den Kaukasus insgesamt?

Russetzki: Die Russen verfolgen ganz einfach einen Plan, wie Herr Dugin ihn vorgeschlagen hat (Alexander Dugin, Vertreter der neuen russischen Rechten, plädiert für "geschlossene" im Gegensatz zu "offenen" demokratischen Gesellschaften, die ihre Kultur an den Westen verlören, Anm.). Je mehr Präsidenten also im Südkaukasus Russland unterstehen, desto besser für Moskau. Wenn die Staatschefs von Aserbaidschan und Armenien aber nun eine gemeinsame Stellungnahme abgäben, wenn sie nun endlich ihren Konflikt – den Streit um Berg-Karabach – zu lösen versuchten, wäre das gut. Georgiens Nachbarn müssen etwas Positives unternehmen, sonst kann sich der derzeitige Konflikt noch auf die ganze Region ausweiten.