Vor wenigen Tagen forderten die Eltern einiger Tierschützer vor dem Justizministerium die Freilassung ihrer Kinder. Ein Aktivist kam nun frei. Selbst sein Anwalt war überrascht.

 

Foto: STANDARD/ Regine Hendrich

Von jenen zehn Tierrechtsaktivisten, die seit Ende Mai in U-Haft sitzen und mit ihren Beschwerden zweimal beim Oberlandesgericht abgeblitzt sind, ist am Mittwoch einer freigekommen - Von Gudrun Springer

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Wien - Nach mehr als zweieinhalb Monaten in Untersuchungshaft wurde am Mittwoch einer der zehn inhaftierten Tierrechtsaktivisten auf freien Fuß gesetzt. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat dagegen Beschwerde eingelegt, die das Oberlandesgericht (OLG) Wienprüfen wird. Eine zweite Verhandlung endete am Mittwoch mit der Verlängerung der U-Haft um weitere zwei Monate.Das OLG hatte bereits zweimal neun Haftbeschwerden abgelehnt und erst vor wenigen Tagen die U-Haft der Beschuldigten bis Anfang Oktober verlängert.

Diesmal soll der Haftrichter, laut Rechtsanwalt Stefan Traxler, keine "Tatbegehungsgefahr" und keinen "dringenden Tatverdacht" gesehen haben. Traxler, der mehrere Tierschützer in der Causa vertritt, fühlte sich angesichts der Freilassung in Feierlaune: "Das war nicht zu erwarten", sagte er dem Standard. Der Beschuldigte habe bei der Verhandlung zu den Vorwürfen Stellung genommen und dabei angebliche Beweise entkräften können. "Bei ihm lag einzig und allein der Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation vor. Er lebt in Tirol und hat die anderen vielleicht einmal im Monat gesehen", erzählt Traxler. Nun sei offensichtlich: "Die brauchen mehr als zwei Monate, um herauszufinden, dass jemand zu Unrecht im Häf'n sitzt."
Einmal mehr gerät somit die Auslegung des umstrittenen Paragrafen 278 (Bildung oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation) in die Kritik.

Nicht gerechtfertigte Strafbarkeitslücken

Der stellvertretende Präsident der Richtervereinigung, Manfred Herrnhofer, wies auf Anfrage des Standard darauf hin, dass die Richter bereits 2002 in einer Stellungnahme zum Strafrechtsänderungsgesetz Bedenken wegen der Formulierung des Paragrafen geäußert hätten. "Mit (...) der nun vorgeschlagenen Neuformulierung werden kriminalpolitisch nicht gerechtfertigte Strafbarkeitslücken eröffnet", hieß es in dem Papier der Richter. Zudem habe die „kurze Begutachtungsfrist eine profunde Stellungnahme außerordentlich" erschwert. „Dies ist angesichts des Umfanges des Entwurfs, aber auch der gravierenden Neuerungen, die vorgeschlagen werden, von besonderem Nachteil", lautete die Stellungnahme der Richter.


Herrnhofer kritisiert auch die Vorwürfe des Grünen-Sicherheitssprechers Peter Pilz in der Causa. Dieser hat, wie berichtet, Staatsanwalt, U-Haftrichter und Kripo-Beamte angezeigt, weil er den Vorwurf der kriminellen Organisation für konstruiert erachtet. „Das sind Vorwürfe, die Richtern ihre Unabhängigkeit absprechen - das ist auf das Schärfste zurückzuweisen", sagt Herrnhofer. (Gudrun Springer/ DER STANDARD Printausgabe 14.8.2008)