Wien - Zuckerbrot und Peitsche packte Wiens Bürgermeister Michael Häupl im Interview mit dem Standard für die Zuwanderer aus. Einerseits will er alle, "die legal hier leben, auch legal hier arbeiten lassen". Andererseits berichtete er von einer Begegnung mit einem konservativen Türken, dem er deftig die Meinung gesagt habe: "Wenn Sie Ihre Tochter nicht in die Schule lassen, dann reiß ich Ihnen die Ohrwascheln aus."

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) ließ vor allem der erste Teil der Ansage aufhorchen: "Häupl hat in dem Zusammenhang ja Martin Luther - ,Hier stehe ich und kann nicht anders‘ - zitiert. Als Protestant sage ich ihm: ,Spielen Sie kein Doppelspiel!‘"

Häupl sollte nicht entgangen sein, dass sich jeder EU-Bürger in Österreich legal aufhalten könne, sagt Bartenstein: "Der Wunsch, alle legal arbeiten zu lassen, bedeutet nichts anderes, als die Übergangsfristen für die Öffnung des Arbeitsmarktes aufzuheben." Aber gerade das lehne SPÖ-Chef Werner Faymann ab. "Das passt zur Beliebigkeit der SPÖ" , meint Bartenstein: "Faymann bedient die Strache-Wähler, Häupl die Linken."
Erst ab 2011 dürfen EU-Bürger in Österreich jeden Job annehmen. Wegen des Bedarfs an Fachkräften gibt es aber bereits Ausnahmen für 65 Berufsgruppen. Bartenstein will den Arbeitsmarkt wie bisher nur "schrittweise öffnen, streng nach den Bedürfnissen".

Für "ein starkes Stück" hält Bartenstein, wie Häupl die Vorwürfe wegen der von Faymann in Auftrag gegebenen Werbung der ÖBB "vom Tisch wischt" . Dass der Verkehrsminister der defizitären Bundesbahn eine "sehr durchsichtige, mit Steuergeld bezahlte Kampagne" vorschreibe, nennt er "politisch inakzeptabel - und vielleicht strafrechtlich relevant".

"Schmähs immer tiefer"

"Statt an Ohrwascheln zu reißen, sollte sich Häupl lieber bei der eigenen Nase nehmen" , kritisiert wiederum der Wiener ÖVP-Stadtrat Norbert Walter: "Die SPÖ hat die Probleme in den Schulen und Gemeindebauten lange geleugnet." Dass Häupl das "Matschgern" über angebliche "Ausländerghettos" mit der einstigen Hetze gegen jüdische Viertel vergleicht, hält Walter für "geschmacklos" : "Das ist ein Totschlagargument."

Als Eingeständnis, dass die Integration in Wien noch nie funktioniert habe, wertet FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Ohrwaschel-Anekdote. Maria Vassilakou, Chefin der Wiener Grünen, urteilt hingegen: "Häupl stimmt jetzt auch in den Chor des Wahlkampfrassismus von FPÖ und ÖVP ein. Seine Schmähs sinken immer tiefer." (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 16.8.2008)