Wien - "Montezuma - Fallender Adler", ein zeitweiliges Projekt des Kulturhauptstadtjahres, könnte nun ein Fall für die Gerichte werden. "Linz09 möge uns die eine Million Euro überweisen und wir sehen uns alle am 8. Juli 2009". Mit diesen Worten verlieh Klangforum-Wien-Intendant Sven Hartberger am Donnerstag bei einer Pressekonferenz seinem Angebot Nachdruck, die von der Kulturhauptstadt abgesagte Uraufführung der Auftragskomposition von Bernhard Lang selbst zu produzieren.

Den Verantwortlichen von Linz09 habe man eine Frist bis Ende September gesetzt, ansonsten werde das Klangforum eine Leistungsklage einbringen. Bis heute habe Hartberger von Linz09-Intendanten Martin Heller, dem für das Musik-Konzept verantwortlichen Peter Androsch sowie Wolfgang Winkler vom Brucknerhaus Linz keine Antwort erhalten, so der Klangforum-Intendant. Für Intendant Heller ist die Causa aufgrund der "ungefragten Einladung zur Pressekonferenz und dem zeitgleichen Einlangen des juristischen Schreibens" nun ein "juristischer Fall", wie er gegenüber der Austria Presse Agentur erklärte.

Schwierige Koproduktion

Am 28. Juni hatte Linz09 via Aussendung mitgeteilt, dass man die Uraufführung aufgrund finanzieller Schwierigkeiten absagen müsse. "Der Grund für diese Entscheidung liegt darin, dass der finanzielle Aufwand, der sich aus den Forderungen aller Beteiligten ergibt, von Linz09 trotz der zur Verfügung stehenden beträchtlichen Eigenmittel nicht zu leisten ist", hieß es damals in der Begründung. Diese "Anschuldigung, es liege an den Forderungen der Künstler", will Hartberger nicht auf sich sitzen lassen, zumal die Künstler bisher zwar stets Honorarvorschläge seitens Linz09 erhalten hätten, die tatsächlichen Kosten jedoch nie erhoben werden konnten, da es keine Projektplanung gemeinsam mit Linz gegeben habe.

Heller verwies auf ein kürzlich geführtes Produktionsgespräch mit Wolfgang Winkler, dem die Produktion überantwortet wurde, mit dem Klangforum, dem Komponisten Bernhard Lang sowie dem Regisseur Michael Sturminger. "Bei diesem Gespräch haben wir gesagt, was wir bieten können. Die Forderungen des Klangforums lagen deutlich höher und die Diskussionsbereitschaft zu einer gemeinsamen Lösung war nicht vorhanden", so Heller. Das Gespräch habe damit geendet, dass Winkler beauftragt worden sei, "vonseiten Linz09 mehr Geld zu lukrieren". Anders sieht das Hartberger, der betonte, Winkler habe versprochen, "alles zu tun, um die Produktion zu realisieren, vonseiten des Klangforums erwarte er sich keine Schritte".

Wie Hartberger bereits am 4. August in einer Pressemitteilung bekanntgab, wolle er nun mit Hilfe des versprochenen Budgets von einer Million Euro die Produktionsverantwortung übernehmen, um das Auftragswerk wie geplant zu realisieren. Zugesagt seien von Linz09 immer nur 700.000 Euro gewesen, so Heller. Über die restlichen 300.000 habe man sich mit dem Brucknerhaus in Sachen Produktionsbudget verständigt. Nun habe das Klangforum mehr als 200.000 Euro zusätzlich gefordert. Von der jetzigen Bereitschaft, mit dem bisherigen Budget zu arbeiten und die restlichen Mittel über Koproduktionen und Sponsoren zu beschaffen, sei damals nicht die Rede gewesen.

"Aus dem Traumbüchel"

In einer ausführlichen Pressemappe präsentierte das Klangforum Wien am Donnerstag anhand der Korrespondenz mit Linz09 die Genese der Zusammenarbeit und der darauffolgenden Absage. Diese könne Hartberger nicht nachvollziehen: "Bis zur Stunde hat es kein einziges Treffen des gesamten Produktionsteams gegeben", so Hartberger, daher könnten die Veranstalter den tatsächlichen Umfang und die benötigten finanziellen Mittel gar nicht "verstehen". Der Betrag von einer Million Euro sei von den Verantwortlichen bei Linz09 vorgeschlagen worden. Laut Hartberger eine Zahl, die man "aus dem Traumbüchel" habe, "weil es nie eine seriöse Planung gegeben hat".

Der Komponist Bernhard Lang betonte bei dem Pressegespräch, dass er bereits bei der ersten Produktionssitzung im Jahr 2006 über den Umfang der Uraufführung gesprochen habe, die Veranstalter seien sich "bewusst gewesen, dass das ein groß angelegtes Kompositionswerk" werden würde. "Geld spiele keine Rolle, ich solle ins Volle greifen, wurde mir damals gesagt", so Lang. Er wäre "genauso bereit gewesen, etwas kleineres zu machen. Ich bin es gewohnt, mich an Situationen anzupassen", so der Komponist, der Anfang des Jahres auf Bitte von Linz09 eine überarbeitete Partitur vorlegte, die um ein Drittel weniger Musiker beinhaltete. Danach habe man "keine Mails, Briefe oder Telefonate beantwortet".

Dass man "Montezuma" wahrscheinlich nicht mit einer Million Euro realisieren könne, sei Hartberger bewusst. Ein 20 oder 25 Prozent über das Budget hinausgehender Bedarf sei durchaus üblich. Er sei "gerne bereit, Koproduktionspartner und Sponsoren aufzutreiben. Es wäre meine Verantwortung, dieses Geld zu besorgen". Der Vorstand des Klangforums habe ihm bereits ein Risiko von 300.000 Euro genehmigt. Sollte es bis zum 30. September zu keiner Lösung - also Uraufführung im Rahmen von Linz09 - kommen, werde man seitens des Klangforums sowie der Künstler, mit denen aufrechte, aber nicht unterzeichnete, Verträge bestünden, Leistungsklagen gegen Linz09 einbringen.

"Bereitschaft zum Schrauben"

Martin Heller findet "die Doppeltheit sehr seltsam", mit der einerseits die Einladung zu einer gemeinsamen Pressekonferenz und das Einlangen des juristischen Schreibens von statten gegangen sei. "Entweder es gibt eben eine vertrauensvolle Regelung, oder ein juristisches Vorgehen", so Heller. Beides gleichzeitig gehe nicht. Bei Produktionen sei man immer auch auf den "Goodwill" angewiesen. "Finanzprobleme gibt es in allen möglichen Formaten, da muss man gemeinsam an einem Werk schrauben und schauen, wie man es hinbekommt." Diese "Bereitschaft zum Schrauben" sei nicht dagewesen.

Das Klangforum verweist auf die Korrespondenz mit Winkler Ende Jänner, wonach ein Pauschalhonorar von 170.000 Euro offeriert worden und nach Verhandlungen über ein Gegenangebot des Klangforum eine Einigung über einen Betrag von 178.000 Euro erzielt worden sei. So weise man zurück, dass die Absage der Produktion durch die mangelnde Einigung der LIVA mit dem Klangforum Wien entstanden sei.

Rechte an Libretto und Partitur

Als Geldgeber und Initiator sei er "einen anderen Umgang gewöhnt". Vielleicht hätten sich auch falsche Erwartungen getroffen. Das Kulturhauptstadt-Budget sei nicht klein, man müsse damit aber auch ein Jahr lang eine Reihe von Veranstaltungen bestreiten. Die Frist werde man nun benützen, um sich "noch mal alles anzusehen. Aber ich kann dazu jetzt, wo es sich um einen juristischen Fall handelt, nichts sagen", so Heller. Jedenfalls hätte es bis auf Bernhard Lang und Peter Leisch keine Verträge gegeben, die nun eingeklagt werden sollen.

Die Ausschließlichkeitsrechte an dem Libretto sowie an der Partitur liegen laut Heller "für einen längeren Zeitraum" bei Linz09 und die Produktionsverantwortung bei der LIVA Linzer Veranstaltungsges.m.b.H., über eine anderweitige Aufführung müsse man daher verhandeln.

"Montezuma - Fallender Adler" basierte auf einem unveröffentlichten Text des in Linz geborenen Lyrikers und Performers Christian Loidl (1957-2001). Darin beschrieb er die letzten Tage Montezumas als Teil der Zerstörung des Aztekenreiches durch den spanischen Eroberer Hernan Cortes. Peter Leisch, auch für die Dramaturgie des Stückes verantwortlich, hätte im Rahmen der Aufführung eine Vielzahl historischer Texte aus aztekischen und spanischen Chroniken sowie Zeitzeugenberichte eingefügt und sie durch Fremdtexte sowie mit weiteren lyrischen Textkompositionen Loidls ergänzt. "Es entsteht eine Theaterinstallation, die sich in die Architektur des Brucknerhauses einfügt. Entgrenzung und Auflösung der Raumkontur sind programmatische Komponenten der Inszenierung", hieß es in der Beschreibung. So bewege sich auch das Publikum durch die Räume, das Stück und seine verschiedenen Aktionspunkte. (APA)