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Zwischenstopp auf der Flucht aus Abchasien:Georgische Familien gaben den bisher von Tiflis kontrollierten Teil der Provinz auf.

Eine Woche nach Kriegsausbruch hält die Waffenruhe in Georgien. Doch Russlands Präsident gab das Ende des Prinzips der territorialen Integrität Georgiens bekannt: Die Separatistenprovinzen kehren nicht mehr zurück.

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Sotschi/Tiflis/Wien - In der Kaukasus-Krise hat Russland die Grenzen Georgiens erstmals offen infrage gestellt. "Nach allem, was geschehen ist, wird es für Abchasen und Osseten kaum noch möglich sein, in einem georgischen Staat zu leben" , sagte Präsident Dmitri Medwedew nach dem deutsch-russischen Gipfel am Freitag in Sotschi am Schwarzen Meer. Bundeskanzlerin Angela Merkel entgegnete, nicht jedes Volk, das aus ei-nem Staatsverband austreten wolle, könne gleich einen lebensfähigen Staat bilden.

Sein Land werde sich beim weiteren Vorgehen vom Willen der Bevölkerung in Abchasien und Südossetien leiten lassen, kündigte Medwedew nach dem rund eineinhalbstündigen Gespräch mit Merkel an. Beide Regionen hatten sich in den 90er-Jahren für unabhängig von Georgien erklärt, was die internationale Gemeinschaft aber nicht anerkannte. Sotschi, Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014, liegt nur knapp 30 Kilometer von der Grenze zu Abchasien entfernt.
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Medwedew kritisierte Merkel erstmals öffentlich den Einsatz der russischen Soldaten. "Einige der Aktionen von Russland waren nicht verhältnismäßig." Ein Nato-Beitritt Georgiens und der Ukraine bleibe unabhängig vom Konflikt im Kaukasus aktuell, betonte die Kanzlerin, die bisher bei der Einladung von Tiflis in die Allianz mit Rücksicht auf Russland bremste.

US-Außenministerin Condoleezza Rice, die am Freitag in Tiflis eintraf, kritisierte den von Frankreich vermittelten Plan für eine Waffenruhe. Einige Punkte seien klärungsbedürftig, sagte die Ministerin.
Damit meinte sie vor allem einen Punkt, der den Russen das Recht auf "zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen" gibt; dies lässt sich so auslegen, dass die russische Armee etwa eine neue Pufferzone um die Separatistenprovinzen errichtet, während die georgische Armee in die Kasernen abziehen muss. Der russische Generalstab berichtete, die Waffenruhe in Georgien werde eingehalten. Es sei nicht ein einziger Schuss gefallen, sagte Generaloberst Anatoli Nogowitsyn in Moskau. Zugleich wies Nogowitsyn Vorwürfe von Menschenrechtlern zurück, dass Russland in Georgien Streubomben eingesetzt habe.

In Wien traten am Donnerstag die Botschafter der 56 OSZE-Staaten zusammen, um über den Krieg im Kaukasus zu beraten. Die finnische Ratspräsidentschaft legte dabei den Vorschlag vor, die Zahl der Militärbeobachter der OSZE in Südossetien von gegenwärtig acht auf bis zu 100 zu erhöhen. Dabei kam es zu keinem Widerspruch, ein Beschluss steht aber noch aus. Die OSZE-Mission in Georgien hat etwa 200 Mitarbeiter. (Reuters, mab/DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.8.2008)