STANDARD: Was will Russland? Warum hat es sich in den Konflikt um Südossetien eingemischt?

Burdschanadse: Russland versucht Georgien in seinem Machtbereich zu behalten und missbraucht dazu die Konflikte um Südossetien und Abchasien. Russische Offizielle haben oft gesagt, sie werden Georgiens Westkurs nicht dulden - und uns vor allem nicht erlauben, der Nato beizutreten. Es geht Russland nicht um den Frieden. In ganz Georgien wurden Dörfer und Städte angegriffen. Wir sind Zeugen eines Kampfes um die politische Zukunft unseres Landes.

STANDARD: Der Konflikt ist eskaliert, als die georgische Armee vergangene Woche die südossetische Hauptstadt Zchinwali angriff. War diese Attacke ein Fehler?

Burdschanadse: Das ist im Moment schwer zu sagen. Es ist offensichtlich, dass Zchinwali Georgien provoziert hat. In den Tagen zuvor wurden georgische Dörfer beschossen. Eine andere Frage ist aber, ob es möglich gewesen wäre, ruhig zu bleiben. Ob der Angriff korrekt war oder eine Überreaktion, werden wir diskutieren müssen, aber erst wenn die russische Truppen Georgien verlassen haben. Jetzt ist nicht Zeit, um kritische Fragen an die Regierung zu stellen.

STANDARD: Wünschen Sie sich mehr Unterstützung aus dem Westen?

Burdschanadse: Wir erhalten viel Unterstützung. In der ganzen Welt wird verstanden: Es geht hier nicht nur um ein georgisch-russisches Problem, es geht um eine neue Weltordnung. Wie soll diese aussehen? Soll ein großes Land ein kleines Land bestrafen dürfen, weil ihm die Augenfarbe des Präsidenten nicht gefällt? Oder ist es eine Ordnung, wo ein großes Land auf internationales Recht und internationale Mechanismen zurückgreift, um Probleme zu lösen? Soll das Gesetz herrschen oder das Gesetz des Stärkeren?

STANDARD: Manche Beobachter vermuten, dass dieser Krieg das politische System in Georgien komplett umkrempeln wird - inklusive der geopolitischen Ausrichtung des Landes. Sind solche Befürchtungen begründet?

Burdschanadse: Nein, Georgiens Kurs nach Westen ist unverrückbar. Er entspricht nicht einfach nur dem Willen der Staatsführung, es ist der Willen des georgischen Volkes. Politische Schwierigkeiten wird es aber bestimmt geben. Das ist normal, wenn ein Land einen solchen Krieg durchgemacht hat.

STANDARD: Sie waren lange Jahre Vorsitzende des georgischen Parlaments. Warum haben Sie sich aus der Politik zurückgezogen - und was sind Ihre Pläne?

Burdschanadse: Ich hatte einige Meinungsverschiedenheiten mit dem Präsidenten. Ich forderte eine rationalere Politik. Wenn ich jetzt zurückschaue, denke ich, dass ich in vielem richtiglag. Was die Zukunft betrifft: Vielleicht werde ich in nächster Zeit eine politische Partei gründen.

STANDARD: Haben diese Meinungsverschiedenheiten mit Michail Saakaschwili auch den Umgang mit Abchasien und Südossetien betroffen?

Burdschanadse: Ja. Ich warnte davor, dass Russland handeln wird, wenn es zu einer Militäraktion kommt. Es war für mich zwar nicht vorstellbar, dass die Russen so weit gehen werden. Aber dass sie eine negative Rolle spielen werden, war für mich klar.

STANDARD: Heißt das, dass es Leute gab in der georgischen Führung, die nicht mit einem Eingreifen Russlands rechneten?

Burdschanadse: Ja, eine solche Meinung gab es. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.8.2008)