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Russisches Zeltspital in Zchinwali: Eine verwundete georgische Frau liegt im oberen, ein junger Ossete im unteren Bett. Zwischen 10.000 und 14.000 Georgier lebten in Dörfern um Zchinwali.

Foto: AP/Dmitry Lovetsky

Wien/Tiflis - Michail Saakaschwili ist es satt, Fragen zu hören, weshalb er am 7. August den Befehl zum Angriff auf die südossetische Hauptstadt Zchinwali gegeben hat - "I am sick and tired to hear that" . Nach Darstellung des georgischen Staatschefs waren es Osseten und Russen, die den Krieg in jener Nacht begonnen hatten. Die Gegenseite sieht das natürlich ganz anders.

Einige EU-Regierungen hüten sich deshalb vor Schuldzuweisungen und sprechen lieber von "wechselseitigen Provokationen" , die sich hoch geschaukelt hätten. Doch was wirklich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag vergangene Woche geschah, wird zumindest für den Anspruch Georgiens auf seine Provinzen Abchasien und Südossetien entscheidend sein - die russische Armee hat mit ihrem Einmarsch in Zentralgeorgien selbst Fakten geschaffen.

Am Vormittag des 7. August fährt Temur Jakobaschwili, der Minister für Reintegration und als solcher verantwortlich für die Verhandlungen mit den Separatisten, nach Zchinwali. Er will Gespräche mit der ossetischen Regierung führen. Der Sondergesandte des russischen Außenministeriums, Juri Popow, ist mit dabei, doch Jakobaschwili wird nicht mehr von den Südosseten empfangen; es wird sein letzter Besuch in Zchinwali vor Ausbruch des Kriegs sein.

Den ganzen Tag über wechseln sich Berichte über Gefechte zwischen Osseten und Georgiern und über Artillerieangriffe auf Dörfer ab. Michail Saakaschwili besucht verwundete Soldaten der georgischen Friedentruppen in Südossetien in einem Spital in Gori und ruft Russland auf, mäßigend auf die Separatisten einzuwirken. Am Abend tritt der Präsident im Fernsehen auf. Saakaschwili erklärt, er habe eine Waffenruhe angeordnet, um den Rebellen Gelegenheit zur Rückkehr an den Verhandlungstisch zu geben. Es ist 19.10 Uhr. Knapp vier Stunden später beginnt der Krieg.

Die Frage ist, was genau in der Zwischenzeit geschah, das Saakaschwili zum Bruch der von ihm erklärten Waffenruhe bewog. Der georgische Präsident behauptet, er habe gegen 23.15 Uhr erfahren, dass russische Panzer nach Georgien eingedrungen seien. Eduard Kokoiti aber, der südossetische "Präsident" , hatte zuvor angegeben, Georgien habe sein gesamtes Militär an der Grenze zur Provinz zusammengezogen. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.8.2008)