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Ben Johnson, ein Mensch als Sündenfall.

Photo by Mike Blake REUTERS

Toronto - Natürlich ist es so, wie Ben Johnson sagt: "Ich habe damals niemanden umgebracht, und niemand aus meiner Familie war gestorben. Aber ich hatte das Gefühl, die ganze Welt würde mich jagen." Das mag ungerecht sein, aber es ist der Lauf der Welt. Johnson, der 1976 als 15-Jähriger nach Kanada emigriert war, hat der Welt eine Illusion geraubt. Und er hätte wissen müssen, dass die auf kaum etwas anderes heftiger reagiert.

Vor genau 20 Jahren lief dieser Ben Johnson im koreanischen Seoul unter kanadischer Flagge und mit einem Körper, der sich sozusagen echt gewaschen hat, mit fabelhaften 9,79 zu Olympiagold. Nach zwei Tagen wurde in seinem Urin etwas gefunden, das die Fachleute "Stanozolol" nannten und als "synthetisches anaboles Steroid" beschrieben wurde. Johnson verlor Gold, Weltrekord und Reputation, schwor hoch und heilig Besserung, zog mit Antidopingpredigten durch die Schulen und kam nach zwei Jahren Sperre zurück, um 1993 in Montreal mit zusätzlichem Testosteron - dem Hormon, das aus Menschen Männer macht - erwischt zu werden.

Danach versuchte er sich in allerlei schauspielerischem und sportlichem Tingeltangel. Lief gegen Pferde. Trainierte Diego Maradona und den Sohn von Gaddafi, aber auch echte Sprinter, schrieb auch ein Buch, das der Verlag dann sehr sinnig "Seoul to Soul" nannte und in dem Konkurrent Carl Lewis - nun, nicht gerade sehr gut wegkam.

Heute lebt Ben Johnson als x-beliebiger Kanadier "im Norden von Toronto", näher mag er das nicht lokalisieren. Er freut sich über ein gesundes Bäucherl und ein ebensolches Enkerl. Und er denkt, höchstwahrscheinlich, in seinen stilleren Stunden nach über den Lauf der Welt, der gewiss etwas verworrener ist als die flache Sprintstrecke.

Die Sportwelt erschauderte damals, 1988 vor einer mit allem moralischem Furor verkündeten "Zäsur".

Zwanzig Jahre spä-ter weiß man freilich, dass von "Zäsur" keineswegs die Rede sein kann. (sid, wei, DER STANDARD Printausgabe 16.08.2008)