Japans Regierung reagiert nach sechs Jahren Aufschwung auf die ersten Zeichen einer Wirtschaftskrise mit einem alten Reflex: Trotz extrem hoher Staatsverschuldung will Ministerpräsident Yasuo Fukuda kommende Woche Details für ein neues Konjunkturprogramm vorlegen.

"Und wenn es auch nur wenig ist, wir werden versuchen, die Situation für Landwirte, Fischer wie auch kleine und mittlere Unternehmen zu verbessern, die unter den Folgen steigender Preise für Öl und andere Produkte leiden", rechtfertigt Fukuda den umstrittenen Schritt. Die Konjunkturprogramme in der Krise der 1990er- Jahre haben schließlich die Verschuldung von Japans öffentlichen Unternehmen, Kommunen und Zentralregierung nach Schätzungen auf 219 Prozent der Wirtschaftsleistung aufgebläht.

Prognosen verdüstert

Fukuda reagiert auf die immer schlechteren Konjunkturaussichten für Asiens größte Volkswirtschaft. Haben zu Beginn der Finanzkrise noch viele Beobachter geglaubt, Japan könne dem globalen Abwärtstrend entkommen, verdüsterten sich zuletzt die Prognosen deutlich.

Am Dienstag erklärte die Regierung, dass die Wirtschaft im zweiten Jahresviertel zum ersten Mal seit einem Jahr um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal geschrumpft ist. Denn nicht nur Reallöhne und der Konsum, sondern auch die Auslandsnachfrage und die Investitionen sind gefallen.

Mikihiro Matsuoka, Ökonom von der Deutschen Securities erklärte daraufhin: "Wir erwarten, dass die derzeitige wirtschaftliche Rezession bis in die erste Hälfte des Jahres 2009 anhalten wird." Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut der Teikoku Databank ist pessimistisch: "Es gibt keine Zeichen für eine positive Wende."

Mittelstand gefährdet


Die Folgen schrumpfender Auslandsnachfrage sind dabei für die Großunternehmen nur ein relativ kleines Problem. Denn sie sind nach Jahren mit Rekordgewinnen derzeit recht gesund und können daher Nackenschläge verkraften. Stärker bedroht ist der seit Jahren ums Überleben kämpfende, binnenmarktorientierte und wahltaktisch entscheidende Mittelstand.

Kleine Unternehmen haben kaum finanzielle Puffer und können die explodierenden Einkaufspreise nicht an ihre Kunden weitergeben. Die Folge: immer mehr Pleiten. Japans Banken mussten im vergangenen Quartal ihre Abschreibungen für Not leidende Kredite bereits um 70 Prozent erhöhen.

Noch wichtiger für Fukuda: Die Bauern und der Mittelstand, einst Stammwähler seiner Liberaldemokratischen Partei, haben der Opposition 2007 in den Oberhauswahlen aus Protest gegen die Sparpolitik von Reformpremier Junichiro Koizumi zu einem historischen Sieg verholfen. Gleiches droht nun dem unbeliebten Fukuda bei den im September 2009 stattfindenden Wahlen des politisch entscheidenden Unterhauses.

Um das zu verhindern gefährdet Fukuda eines der wichtigsten Ziele aller Regierungen der vergangenen sieben Jahre: die Sanierung des Staatshaushalts. Die Schulden, nach einer Schätzung von Japaninvest-Volkswirt Stephen Church insgesamt 1130 Billionen Yen (rund sieben Billionen Euro), sind eine tickende Zeitbombe. Wenn die Zinsen von rund 1,3 Prozent auf drei Prozent steigen, würde Japans Schuldendienst von derzeit unter 20 Prozent auf ein Drittel der Steuereinnahmen explodieren.

Fukuda hat zwar erklärt, am Sanierungszeitplan festhalten zu wollen. 2011 will Japans Regierung die Staatsausgaben (ohne Schuldendienst) ohne Neuverschuldung finanzieren. Aber klar ist, dass sich die Regierung für sein Hilfsprogramm neu verschulden muss.

Wie sehr, ist in der Regierung hart umkämpft. Der gerade von Fukuda zum Generalsekretär der Liberaldemokraten beförderte und als wahrscheinlichster Fukuda-Nachfolger gehandelte Taro Aso will ein großes Paket, der Staatsminister für Wirtschaft und Haushaltspolitik Kaoru Yosano ein kleines: "Wir müssen angemessene Schritte unternehmen, um die Wirtschaft zu unterstützen, aber es sollten vernünftige Schritte sein." (Martin Koelling aus Tokio, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16./17.8.2008)