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Wird Temelín ausgebaut, so kann Österreich mitreden: Um das umstrittene tschechische Atomkraftwerk unweit der österreichischen Grenze herrscht erneut Aufregung.

Foto: EPA/Litzlbauer

Prag - Lange Zeit war es um das grenznahe südböhmische Atomkraftwerk Temelín relativ still. Das könnte bald anders werden. Der tschechische Energiekonzern ÈEZ hat vergangene Woche beim Prager Umweltministerium den Beginn der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im Zusammenhang mit der Erweiterung der gegenwärtigen Anlage um zwei weitere Blocks beantragt.

Das Unternehmen, dessen Mehrheitseigentümer der tschechische Staat ist, begründet den Ausbau Temelíns mit der Notwendigkeit den gestiegenen Energiebedarf zu sichern. Sollte das AKW nicht erweitert werden, müsste Tschechien, so die ÈEZ-Leitung, ab dem Jahr 2015 einen bedeutenden Teil seines Strombedarfs importieren.

Die Ausbaupläne von Temelín lösten auch prompt Reaktion in Österreich aus. Umweltminister Pröll kündigte die Beteiligung Österreichs an der UVP an und nannte den Ausbau von Temelín "einen umwelt- und energiepolitischen Fehler". Grünen-Vizechefin Eva Glawischnig warf der Bundesregierung vor, nichts unternommen zu haben, obwohl die Ausbaupläne längst bekannt waren.

Um Beruhigung bemüht

In Prag wurden diese Reaktionen erwartet, und seither ist man um Beruhigung bemüht. So meinte der Sprecher des Prager Umweltministeriums, Jakub Kaspar, zum Standard, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung eine reine verwaltungstechnische Angelegenheit ist, deren Behandlung mindestens zweieinhalb Jahre dauern wird. Er hat nicht ausgeschlossen, dass sich das zusätzlich noch in die Länge ziehen könnte, nachdem Österreich angekündigt hat, sich an der UVP beteiligen zu wollen und dies auch von Deutschland erwartet wird. Am Ende sollen laut Kaspar die einzelnen Standpunkte in einen Abschlussbericht zusammengefasst werden, aus dem hervorgehen wird, ob das Umweltministerium den Ausbau der Anlage empfiehlt oder nicht.

Das Umweltressort wird gegenwärtig von Martin Bursik geleitet, der gleichzeitig auch Chef der tschechischen Grünen ist. Während deren Koalitionspartner, die Bürgerdemokraten und Christdemokraten, die Atomkraft fördern wollen, ist es der kleinsten Regierungspartei immerhin gelungen, im Koalitionsvertrag eine Art Moratorium durchzusetzen, wonach bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2010 keine weiteren Atomkraftwerke gebaut werden.

Mögliche Änderung

Eine mögliche Änderung der politischen Großwetterlage in Tschechien scheint auch ÈEZ im Auge zu haben: Das Unternehmen peilt 2013 als Termin für den Beginn der Bauarbeiten an und will diese 2020 abschließen. Über die geplanten Kosten für das Megaprojekt hüllt sich das Unternehmen in Schweigen. Experten gehen davon aus, dass der Bau zweier weiterer Reaktoren mindestens 130 Milliarden Kronen (5,6 Milliarden Euro) kosten könnte. Deren Leistung soll zwischen 1000 Megawatt, was einer Verdoppelung der heutigen Leistung des AKWs bedeuten würde, und 1700 Megawatt liegen. (Robert Schuster aus Prag/DER STANDARD-Printausgabe, 16.8.2008)