Die Weltwirtschaft hat bereits einmal einen Globalisierungszusammenbruch erlebt. Die Ära des freien Handels unter dem Goldstandard kam 1914 zu einem abrupten Ende und konnte nach dem Ersten Weltkrieg nicht wiederbelebt werden. Werden wir in Kürze einen ähnlichen Zusammenbruch der Weltwirtschaft erleben?

Dies ist keine weit hergeholte Frage. Obwohl die Globalisierung den fortschrittlichen Ländern ein nie da gewesenes Maß an Wohlstand beschert hat und für hunderte von Millionen armer Arbeiter in Asien ein Segen war, steht sie auf unsicheren Beinen. Denn die globalen Märkte sind nur schwach "verankert". Es gibt kein globales Kartellamt, keine globale Zentralbank, keine globale Aufsichtsbehörde, keine globalen Sicherheitsnetze und, natürlich, keine globale Demokratie.

Die US-Präsidentschaftswahlen zeigen, wie instabil die Unterstützung für freien Handel im mächtigsten Land der Erde ist. Die Subprime-Krise hat gezeigt, wie mangelnde internationale Regulierung die den Finanzmärkten innewohnende Fragilität verschärfen kann. Der Anstieg der Lebensmittelpreise zeigt die Nachteile einer wirtschaftlichen Interdependenz ohne globale Transfer- und Kompensationsprogramme.

Wenn also die Globalisierung in Gefahr ist, wer sind ihre wahren Feinde? Es gab eine Zeit, als die weltweiten Eliten sich mit dem Gedanken trösten konnten, dass die Opposition gegenüber dem Welthandelsregime aus gewalttätigen Anarchisten, selbstsüchtigen Protektionisten, Gewerkschaftern und idealistischen, aber ignoranten Jugendlichen bestand. Sie selbst betrachteten sich als die wahren Progressiven, weil sie der Ansicht waren, dass die Sicherung und Weiterentwicklung der Globalisierung das beste Mittel gegen Armut und Unsicherheit sei.

Diese selbstsichere Haltung jedoch ist so gut wie verschwunden; an ihre Stelle sind Zweifel, Fragen und Skeptizismus getreten. Was heute die Nachrichten füllt, ist die wachsende Liste von Mainstream-Ökonomen, die die angeblich ungetrübten Vorteile der Globalisierung in Frage stellen. Selbst unter denjenigen, die nicht den Mut verloren haben, herrscht häufig vehemente Uneinigkeit über die Richtung, die die Globalisierung nehmen sollte.

Natürlich ist keiner dieser Intellektuellen gegen die Globalisierung. Was sie wollen, ist keine Umkehr, sondern die Schaffung neuer Institutionen und Kompensationsmechanismen, die die Globalisierung effektiver, fairer und nachhaltiger machen sollen. Die Frage ist heute nicht mehr: "Sind Sie für oder gegen die Globalisierung?" Die Frage lautet: "Wie sollten die Regeln der Globalisierung aussehen?"

Die ersten drei Jahrzehnte nach 1945 wurden vom Konsens von Bretton Woods beherrscht - einem seichten Multilateralismus, der es der Politik erlaubte, sich auf sozialen Fragen und Vollbeschäftigung im eigenen Lande zu konzentrieren, und zugleich den globalen Handel erlaubte, wieder zu florieren. Dieses Regime wurde in den 1980er und 1990er Jahren durch eine Agenda tiefer greifender Liberalisierung und wirtschaftlicher Integration ersetzt.

Dieses Modell ist, wie wir inzwischen gelernt haben, nicht aufrecht zu erhalten. Um zu überleben, braucht die Globalisierung einen neuen intellektuellen Konsens, der sie stützt. Die Weltwirtschaft wartet verzweifelt auf ihren neuen Keynes. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16./17.8.2008)