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Eine Familie in Jeddah schaut die Soap-Opera "Noor". Der saudische Mufti glaubt, sie sei von Spezialisten für Irrtümer gemacht.

Reuters/Susan Baaghil

"Ich gebe zu, ich bin der Sucht verfallen", sagt Nessrin, eine 40-jährige ägyptische Journalistin, fast etwas beschämt. Wenn abends um zehn Uhr die türkische Soap "Noor" auf dem Programm steht, sitzt sie gebannt vor dem Fernseher und mit ihr Millionen Frauen in der arabischen Welt. Mohanad, der türkische Serienheld mit seinen blauen Augen, hat sie alle verzückt. Er sieht nicht nur gut aus, vor allem ist er romantisch und unterstützt seine ehrgeizige Frau Nour, eine Modedesignerin.

Die Liebesgeschichte mit ihren Auf und Abs spielt in einem der wunderschönen, traditionellen türkischen Häuser am Ufer des Bosporus in Istanbul. "Die Tatsache, dass die Serie aus der Türkei, einem muslimischen Land, stammt, macht sie für uns besonders attraktiv. Diese Welt ist uns näher als Südamerika, wo andere Soaps herkommen. Allerdings muss auch ich zugeben, dass oft über viele Episoden kaum etwas geschieht", begründet Nessrin den Erfolg von Noor. Die Soap, die 2005 in der Türkei mit recht wenig Erfolg unter dem Titel "Gümüs" ausgestrahlt wurde, ist auf den arabischen Kanälen in syrischem Dialekt zu verfolgen. Sie zeigt eine liberale Welt, wie sie in der Türkei Alltag ist. Während des Ramadans wird zwar gefastet, aber zum Dinner steht Alkohol auf dem Tisch, und es gibt auch vor der Ehe Liebesbeziehungen.

Arabische Zeitungen haben berichtet, dass es in Syrien, Jordanien und Bahrain sogar zu Scheidungen gekommen sei. Vor allem Frauen trennten sich von ihren Männern, weil ihnen im Vergleich mit der verklärten Filmwelt ihre eigenen Ehen noch trostloser erschienen. Die Serie hat auch den Tourismus angekurbelt, insbesondere aus Saudi-Arabien sind die Zahlen der Besucher in der Türkei gestiegen, die durch die schönen Bilder zu einer Reise an den Bosporus inspiriert wurden.

Bei vielen islamischen Geistlichen hat Noor hingegen heftigen Widerstand ausgelöst. Der Mufti von Saudi-Arabien hat den Gläubigen verboten, sich diese populären Serien - es gibt neben Noor noch eine zweite - anzuschauen. Scheich Abdul Aziz al-Sheikh erklärte, sie würden viel Böses enthalten, die Ethik der Menschen zerstören und seien gegen die islamischen Werte. Sie würden von Leuten produziert, die Spezialisten für Verbrechen und Irrtümer seien; Leute, die Frauen und Männer dem Teufel auslieferten und Laster in der Gesellschaft verbreiteten.

Es blieb aber nicht nur bei eindringlichen Worten von der Kanzel, in einem saudischen Dorf hat ein lokaler Clanführer seine Satellitenschüssel zerschlagen und die Dorfbewohner aufgefordert, es ihm gleichzutun. Ein Scheich in der Nähe der syrischen Hauptstadt Damaskus forderte seine Studenten auf, mit dem Koran zu schwören, dass sie sich diese Soaps nicht mehr ansehen und versprach ihnen dafür, die Kosten für eine Umra, eine kleine Pilgerreise nach Mekka, zu übernehmen. (Astrid Frefel aus Kairo/DER STANDARD, Printausgabe, 19. Augst 2008)