Graz - Die Metastasierung von Tumorzellen beginnt oft nicht erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Krebserkrankung, sondern kann schon zu einem Zeitpunkt eintreten, wo der Krebsherd selbst noch winzig ist. Was die Tochterzellen zum Wuchern bringt, untersucht Jochen Geigl mit Hilfe der Molekulargenetik am Institut für Humangenetik der Medizinischen Universität Graz.

Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass einzelne Krebszellen eines Tumors schrittweise weiter entarten, bis sie schließlich ihren Weg in andere Organe suchen, um dort aggressive Tochtergeschwülste zu bilden. Gestärkt wurde dieser Eindruck dadurch, dass Patienten mit größeren Tumoren eher Metastasen entwickelt haben als in Fällen mit kleinen Tumoren.

Tumorzellen im Ruhezustand

Die Forschungen des an der Grazer Med-Uni tätigen Humangenetikers Jochen Geigl zeigen aber einen anderen Sachverhalt: "Schon zu einem Zeitpunkt, wo der Krebsherd noch winzig ist, kann es zum Ausstreuen von Tumor-Tochterzellen kommen. Jedoch verweilen sie in einer Art Ruhezustand, bis die Tumorzellen beginnen, sich tatsächlich zu vermehren", so Geigl.

Im Elektronenmikroskop sehe man, dass bereits bei kleinsten Tumoren einzelne Tumorzellen durch die Basalmembran drängen und ins Knochenmark wandern. Sie scheinen dort in einen Dornröschenschlaf zu fallen und auf ihre Aktivierung zu warten, einzelne beginnen jedoch, unter bestimmten Umständen zu wuchern.

Zwei mögliche Bedingungen

Unter welchen Bedingungen ein Wuchern ausgelöst wird, ist noch unklar. Die Forscher haben zwei Antwortmöglichkeiten im Visier: Entweder sendet der Ersttumor Signale zum Wachstum aus oder die Botenstoffe kommen aus der Umgebung der Tochter-Tumorzellen. Für die Version, dass der Ersttumor den Anstoß zum Wachstum gibt, spreche, dass mit der Größe des Tumors auch das Risiko steigt, dass Metastasen zu wuchern beginnen.

Nun will man herausfinden, unter welchen Bedingungen man den Ruhezustand der Tumor-Tochterzellen dauerhaft erzwingen kann. Mit dieser Erkenntnis könnten Medikamente entwickelt werden, die die wachstumsfördernden Botenstoffe so sehr hemmen, dass die Mikrometastasen dauerhaft in Warteposition bleiben und nicht zu wachsen beginnen. (APA)