Wien - Immer mehr entzieht sich ehemaliges russisches Einflussgebiet dem Kreml und "wandert" zur von den USA dominierten NATO ab. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist der Kaukasus zu einem Spielball Russlands und der USA geworden. Beiden Seiten geht es um die Sicherung von Transportwegen etwa für Öl und Gas. Experten sehen auch ein strategisches Interesse der USA, sich Georgien als Stützpunkt für einen möglichen Angriff auf den nur einige hundert Kilometer entfernten Iran zu sichern.

Nachdem der georgische Staatschef Micheil (Michail) Saakaschwili den Ex-Kommunisten und ehemaligen sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse gestürzt hatte, führte er sein Land eng an die Seite der USA. Tiflis und Washington bildeten eine Allianz, die beiden Seiten Gewinn versprach: Saakaschwili nutzte den starken Freund USA als Gegengewicht zur Regionalmacht Russland und als Fürsprecher für Georgiens Integration in den Westen. Die USA nutzten Georgien, um den Einfluss Russlands im früheren Hinterhof der Sowjetunion weiter zurückzudrängen und der NATO eine Option zur Ausweitung bis an das Kaspische Meer zu bieten. Auch als Transitland für die gewaltigen Öl- und Gasvorkommen Zentralasiens besitzt Georgien strategischen Wert.

Währenddessen wird über einen möglichen NATO-Beitritt Georgiens und der Ukraine verhandelt. Georgien ist Mitglied des NATO-Programms "Partnerschaft für den Frieden" (PfP), den Status als Beitrittskandidat hatte der Bukarester NATO-Gipfel im Frühjahr allerdings abgelehnt. Nach dem Einmarsch russischer Truppen in Georgien rückte die Sicherheit des Kaukasus-Landes erneut in das Zentrum des internationalen Interesses.

NATO-Mitgliedschaft Georgiens

Im Dezember soll die Frage der NATO-Mitgliedschaft Georgiens und der Ukraine erneut überprüft werden. Russland lehnt eine NATO-Erweiterung um Staaten aus dem "nahen Ausland", wie Moskau die ehemaligen Ostblockgebiete nennt, vehement ab. Die USA betonte indes, die NATO müsse Russland klar machen, dass es sich nicht in den Weg stellen dürfe, wenn ehemalige Staaten der Sowjetunion engere Beziehungen zur NATO aufnehmen wollten.

Aber auch um die Staaten Osteuropas findet ein Tauziehen statt. Von allen pro-westlichen Staaten in Osteuropa ist die Ukraine am interessantesten. Die ehemalige Sowjetrepublik ist für Russland strategisch von großer Bedeutung, weil dort die Öl- und Gaspipelines in Richtung Westen verlaufen, und weil Sewastopol der Heimathafen der russischen Schwarzmeer-Flotte ist. Bis 2017 läuft der Pachtvertrag, und die ukrainische Regierung will ihn nicht verlängern. Überdies lebt in der Ukraine, vor allem im Süden und Osten des Landes, eine starke Minderheit, die Russisch als Muttersprache hat. Das Verhältnis zur Ukraine ist daher in Russland emotional aufgeladen. Das Streben des Landes in die NATO empfinden viele in Russland als Demütigung.

US-Raketenabwehr

Die baltischen Staaten und jene Zentral- und Osteuropas sind Mitglieder der NATO. Tschechien und Polen haben jüngst den USA die Erlaubnis erteilt, ein amerikanisches Raketenabwehrsystem in Zentraleuropa zu stationieren. Die USA wollen sich mit dem geplanten System gegen Raketenangriffe aus sogenannten "Schurkenstaaten", vor allem dem Iran, schützen. Russland sieht dadurch jedoch seine Sicherheitsinteressen verletzt.

Polen ist zwar NATO-Mitglied, fühlt sich aber dennoch nicht hinreichend sicher vor Russland. Warschau reagierte auf die neue Lage nach dem russischen Vormarsch in Georgien und hat nach mehrmonatigem Tauziehen plötzlich binnen weniger Tage das Abkommen mit den USA zur Stationierung eines Raketenabwehrsystems unter Dach und Fach gebracht. In dem Vertrag sichert sich die Regierung in Warschau schnellere Hilfe seitens der USA zu, als dies von der NATO angeboten wird. Befürchtet wird jedoch, dass das Bündnis im Fall einer Bedrohung Polens zu langsam reagieren würde.

Abhängigkeiten

Auch Bulgarien ist ein umstrittenes Gebiet. Das EU-Mitglied ist im Energiebereich von den Russen abhängig. Gleichzeitig hat der NATO-Staat den USA militärische Stützpunkte zur Verfügung gestellt. Die Bulgaren wollen nicht "zwischen ihrer Freundschaft mit den USA oder mit Russland" wählen müssen. Dies hatte Staatspräsident Georgi Parwanow erst vor etwa einem Jahr seinem Amtskollegen aus den USA, George W. Bush, klar gemacht.

Nach Angaben der Internetseite globalsecurity.org hat Russland unter anderem Truppen in Tadschikistan, Armenien, Georgien, der Ukraine, Moldawien und Kirgistan stationiert. Die USA haben wiederum über 100.000 Soldaten in Europa stationiert. Amerikanische Einsatzgebiete gibt es zudem in 20 weiteren Ländern, auch Tadschikistan und Kirgistan und in den zentralasiatischen Staaten Pakistan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan. In Afghanistan führt die NATO die ínternationale Schutztruppe ISAF an.

Die NATO (North Atlantic Treaty Organisation) hat zurzeit 26 Mitglieder. 24 weitere Länder, darunter auch Österreich, sind Mitglieder des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrates (EAPC). Im Jahr 1949 vor dem Hintergrund des Kalten Krieges mit der Sowjetunion als Verteidigungsbündnis Westeuropas ins Leben gerufen, scharten die USA ihre Bündnispartner in Europa sowie Kanada um sich, um sich gegenseitig militärische Hilfe im Verteidigungsfall zu garantierten.