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Nicht nur VgT und BaT sind solidarisch: auch die Grünen unterstützen die Tierrechtsaktivisten.

APA/GrueneNiederoesterreich

Drei Monaten lang saßen zehn Tierrechtsaktivisten in U-Haft weil sie angeblich die Köpfe einer kriminellen Organisation sind. Mitte August wurde einer von ihnen entlassen. Den neun übrigen bleibt das Warten auf die nächste Haftprüfung, die für Anfang September anberaumt ist. Abgesehen davon, dass sie in getrennten Einzelzellen einer ungewissen Zukunft harren, haben sie wenig gemein: die acht Männer und eine Frau zählen sich zu verschiedenen Tierrechtsorganisationen, die nicht nur ideologische Ansichten, sondern teils auch private Streitigkeiten trennen. Umso absurder erscheint ihnen die Anschuldigung, gemeinsame Sache gemacht zu haben.

Links-linke vs. Christlich-bürgerliche

Die Rede ist von den Organisationen „Verein gegen Tierfabriken" (VgT) und „Basisgruppe Tierrechte" (BaT). Wobei sich letztere nicht als Verein verstanden wissen will. Drei der Inhaftierten zählen zu VgT-Nahen, unter ihnen auch Vereinsobmann Martin Balluch; fünf weitere zum Umfeld der BaT. Anwalt Stefan Traxler, der den VgT seit zehn Jahren vertritt, beschreibt das Verhältnis zwischen BaT und VgT so: „Gemeinsame Aktionen wären nie möglich gewesen. Die hassen einander und belehren sich gegenseitig." Tatsächlich ist der Ton rau: als „links-linke Partie" bezeichnet eine Mitarbeiterin des VgT die BaT. „Verein mit christlich-bürgerlicher Moral", kontert diese. Der Habitus ist dennoch auf beiden Seiten der gleiche: Studenten in T-Shirts mit aufmüpfigen Botschaften - "Ich bin Teil einer kriminellen Organisation" steht auf dem einen zu lesen, auf dem anderen prangt ein skelettiertes Playboy-Bunny -,Piercings, Tätowierungen und Ansteckbuttons.

Tierschutz als Gesellschaftskritik

Die Gründe für die beiderseitige Ablehnung liegen vor allem in den unterschiedlichen Ideologien, denen die Mitglieder beider Gruppierungen anhängen. Antiimperialismus, Feminismus und Antirassismus, das sind die Parolen, die sich die BaT auf die Fahnen heftet. „Wir sind kein Tierschutzverein. Wir setzen Tierrecht in einen politischen Kontext", sagt eine BaT-Aktivistin, die anonym bleiben möchte. „Wir setzen uns nicht für größere Käfige und Bio-Eier ein, sonder für eine generelle Abschaffung von Käfigen und Tierhaltung". Den VgT empfindet sie als zu wenig gesellschaftskritisch.

„Bei der BaT darf man nicht mal einen dreckigen Witz erzählen. Das ist dann sofort Sexismus", sagt eine VgTlerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Außerdem tendiere die BaT zur Paranoia. Tatsächlich sind die Tierrechtsaktivisten auf beiden Seiten vorsichtig in ihrer Wortwahl, schließlich wolle man niemanden schlecht machen. Während der VgT via Presseaussendungen und Website für die Häftlinge kampagnisiert und eine Demonstration nach der anderen organisiert, gibt sich die BaT bedeckter. Anfangs will man nicht einmal die konkrete Zahl der BaT-Nahen Inhaftierten nennen. Vier oder fünf bestätigt eine namenlose Stimme am Telefon. Das persönliche Gespräch verläuft deutlich entspannter. Dass auf ihrer Website keine Kontakttelefonnummer zu finden ist, sei keine Vorsichtsmaßnahme. Vielmehr liege es an der Struktur der BaT.

Unterschiedliche Struktur

Die Gruppe von rund 20 Personen, die vor etwa sieben Jahren von Studierenden gegründet wurde, kennt keine hierarchische Struktur. Alle sind gleich, keiner gleicher. Entscheidungen werden im Plenum getroffen. Einstimmig, oder gar nicht. Mitgliedschaften gibt es nicht; wer kommt, ist dabei. Der VgT ist dagegen straff organisiert: rund 18.000 Spender, Obmann, Geschäftsführer, ein neunköpfiger Vorstand, Jahresberichte und zehn Angestellte, die hauptberuflich für den Verein arbeiten. Für Sachbeschädigungen haben die Aktivistinnen beider Gruppierungen nichts übrig. "Öffentlichkeitsarbeit" lautet die Losung. Und obwohl die BaT für radikalerer Ansichten steht, sind die Aktionen des VgT die drastischeren: Während die einen sich damit begnügen mit dem Megaphon vor Textilketten gegen Pelze zu wettern, lassen sich die anderen schon mal von Journalisten dabei begleiten, wenn sie Schweine aus einem Masttierbetrieb befreien. Das findet auch die Aktivistin der BaT gut.

Gemeinsam für die Freilassung

Seit der Verhaftung der Aktivisten hat sich allerdings einiges geändert: VgT und BaT haben sich zusammengetan. Notgedrungen. Ihre Initiative „antirep2008" setzt sich für die Freilassung der Inhaftierten ein. Viele der Tierschützer haben sich erst kürzlich bei gemeinsamen Demonstrationen kennengelernt. Bei der täglichen Kampagnenarbeit gehen sie jedoch weiterhin getrennte Wege: der VgT baut seinen Stand allwöchentlich vor der Filiale der Modekette „Kleider Bauer" auf der Wiener Mariahilferstraße auf - die BaT demonstriert einige Hausnummern entfernt vor dem „Kleider Bauer"-Ableger „Hämmerle". Oft von einem ganzen Bus voller Polizisten bewacht.

Die Ereignisse der letzten Wochen sitzen den Aktivisten in den Knochen. „Einschüchterungstaktik" nennen sie die Vorgehensweise der Polizei. „Sie wollen uns angst machen. Das schaffen sie auch, aber wir machen trotzdem weiter", sagt die BaT-Aktivistin. Das Konzept der Ankläger soll nicht aufgehen: „Sie wollen uns mittels Abhörung und Überwachung spalten. Das Gegenteil ist der Fall: Wir sind solidarischer denn je". (Birgit Wittstock, derStandard.at, 21. August 2008)