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Dringend gesucht, schwer zu finden: Wirtschaftsleute mit offen sozialdemokratischer Gesinnung.

Foto: Reuters/Danilo Krstanovic

Die Wirtschaftskompetenz einer politischen Partei hängt von den handelnden Personen in wichtigen Funktionen und deren Beratern ab. Der Sozialdemokratie mangelt es derzeit an betriebswirtschaftlich versiertem Nachwuchs.

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Wien - Die Lektionen "Wilhelmine Goldmann" und "Christian Trattner" haben rote Manager gelernt. Gehörten die beiden deklarierten SPÖler in ÖBB- und Asfinag-Management doch zu den ersten Managern, die der ehemalige Wiener Wohnbaustadtrat Werner Faymann noch im ersten Jahr seines Wirkens als Verkehrsminister über die Klinge springen ließ. Personenverkehr-Chefin Goldmann und Asfinag-Finanzchef Trattner mussten weichen, weil sie den - sachlich nicht unumstrittenen - Kurs ihres späteren Parteichefs offen kritisiert beziehungsweise nicht bedingungslos gut geheißen hatten.

In Ermangelung harter Facts, die eine vorzeitige Ablöse zum Nulltarif ermöglicht hätten, ließ sich der sonst öffentlichkeitswirksam auf Sparsamkeit erpichte und inzwischen zum Parteichef avancierte Faymann diese Flurbereinigung in den eigenen Reihen einige hunderttausend Steuer-Euros kosten.

Das Geld dürfte nachhaltig angelegt sein. Denn die über die Jahre abgegraste sozialdemokratische Personaldecke ist seither noch dünner, als sie es nach sechs Jahren Opposition, in der Schwarz-Blau an die Futtertröge der Staatsfirmen gedrängt hatte, schon war. Wer nicht als ehemaliger Ministersekretär oder durch Parteiarbeit bei VSSTÖ, Jung-Sozialdemokraten, Bund Sozialdemokratischer Akademiker oder in Arbeiterkammer oder Gewerkschaftsbund einschlägig punziert ist, sucht als Mensch der Wirtschaft ein parteipolitisches Outing tunlichst zu vermeiden. "Verständlich, es könnte der Karriere insbesondere unter einem roten Partei- und Ressortchef abträglich sein", ätzen rote Spitzenmanager, die sich namentlich nicht zitieren lassen.

"Man darf sich nicht wundern", meint der rote Parade-Industrielle Hannes Androsch, "es wurde ja seit Jahren kein Nachwuchs gepflegt."

Das war nicht immer so. Denn neben den Kaderschmieden Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund gab es stets den Wiener Wirtschaftsklub (WWK). Diese 1950 von Verkehrs- und Verstaatlichtenminister Karl Waldbrunner initiierte "gesellige Zusammenfassung der auf dem Gebiete der Wirtschafts- und Sozialverwaltung einschließlich der öffentlichen Verwaltung tätigen Funktionäre" hatte einen Zweck: Es war der Versuch von Gewerkschaftsfunktionären, Industrie, Bank- und Verlagsmanagern, in einem informellen Rahmen wirtschaftspolitische Konzepte zu analysieren und zu diskutieren und darüber hinaus Netzwerke aufzubauen, um so ÖVP-dominierten Banker-, Wirtschafts- und CV-Zirkeln Paroli bieten zu können.

Den WWK gibt es noch heute. Präsident ist Flughafen-Vorstand Herbert Kaufmann (folgte 2007 auf OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer). Man trifft sich jeden dritten Montag im Monat, längst nicht mehr im ÖGB-Haus Strudelhofgasse 10, sondern im Café Central. Mit 250 Mitgliedern, Managern der ersten und zweiten Reihe, ist die Bedeutung des WWK aber gegenüber der Hochblüte der Verstaatlichten rückläufig. Der Zutritt ist limitiert wie bei den Rotariern, Anwärter brauchen Empfehlungen zweier WWK-Mitglieder. "Auch um Grabenkämpfe wie den legendären zwischen Hannes Androsch und Franz Vranitzky hintan und Maulwürfe draußen zu halten", wie WWKler dem Standard erzählen.

Als SP-Personalpool sieht sich der WWK ebenso wenig wie der Freie Wirtschaftsverband, das sei Aufgabe der SP-Jugendorganisationen. Dazu fehle auch das Budget, das aus Jahresbeiträgen in Höhe von ein Prozent eines Bruttomonatsgehalts gespeist wird und Aufwendungen für Vorträge abdeckt.

Wie schwach einst mächtige rote Bastionen geworden sind, zeigte sich bei der Nachbesetzung zahlreicher ÖBB-Führungspositionen: Wer es fachlich qualifiziert auf eine Shortlist schaffte, überstand das großkoalitionäre Abstimmungsprozedere nicht. Abgesehen davon, dass die SPÖ von Noch-Partner ÖVP mit den undankbaren Posten im unterdotierten Absatzbereich abgespeist wurde, während Bau- und Finanzagenden von schwarzer Hand gesteuert werden.

Schwierig werde es auch, fürchten rote Wirtschaftsleute, Kapazunder für eine kommende SP-Regierungsmannschaft zu finden. Nachsatz: "So viele gute Rathausmänner gibt's leider nicht." (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.8.2008)