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Der Sarg des Verstorbenen auf dem Friedhof von Neufeld.

Foto: APA/Schlager

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Zahlreiche Politiker aus ganz Österreich waren bei der Trauerfeier im Landtag in Eisenstadt anwesend.

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Neufeld - Die Friedhofsmauer hat dort, wo sie an die Sportplatzgasse stößt und damit auf den Fußballplatz, eine kleine Ausbuchtung, eine Art Loge, wenn man will. In dieser wohl abgemessenen Loge ist Platz für drei Gräber. Grabstelle 168 und 166 waren seit langem schon besetzt. 164 musste noch warten. Und es muss ein komisches Gefühl gewesen sein für Fred Sinowatz, wenn er auf den Friedhof ging oder auf den Sportplatz. Denn er wusste: 164 wartete auf ihn.

Es hieße, die Wahrheit ein wenig sehr zu verbiegen, wollte man leugnen, Fred Sinowatz hätte diese Wartezeit nicht erlitten. Tatsächlich litt er viele Jahre lang höllisch an der sukzessiven Diskrepanz zwischen Geist und Körper, zwischen dem, was er wollte, und dem, was er noch schaffen konnte. Aber es ist nicht abwegig anzunehmen, dass ihm die Aussicht auf die Nachbarschaft in der Ewigkeit so was war wie ein Trost.

Neben ihm liegen nämlich zwei burgenländische Landeshauptmänner. Ludwig Leser (1945/46) und Hans Bögl (1964-66). Den beiden nachzueifern war sein Lebenstraum. Statt dessen musste er Bundeskanzler werden. Und nun, da er tot ist, rufen ihm die Nachrufer wie zum Hohn nach, er sei Zeit seines Lebens das geblieben, was zu bleiben einem Menschen ja ohnehin nichts anderes übrigbleibt, zeitlebens zu bleiben: ein Mensch. Welch nachdenkenswertes Selbstbild der Nachrufer!

Die Menschen in Neufeld - das weit mehr ein Teil des niederösterreichischen Industrieviertels ist als ein Teil des Agrarlandes Burgenland - bewiesen diesbezüglich mehr Feingefühl. Sie hatten Fred Sinowatz nicht nur zum "Ehrenbürger" gemacht, sondern anlässlich seines 75. Geburtstages 2004 auch zum "Ehrenbürgermeister" . Dieser Titel prangt nun auch auf dem Grabstein.

So gesehen darf er zufrieden sein, der Bundeskanzler außer Dienst, der seine Neufelder ordentlich ins Schwitzen gebracht hat mit seinem Ableben. Ein Staatsbegräbnis musste über die Bühne gebracht werden. Protokollchefs machten entsprechende Vorschriften. Die Staatsspitzen mit den unvermeidlichen Securities waren angesagt; um es polemisch zu sagen: von Faymann abwärts.

In der Kirche besann man sich aufs im Wortsinn Naheliegende: Abwechselnd zwei Burschen hielten am Sarg die Ehrenwache. In der Uniform des nunmehrigen Nachbarn des früheren Sportminister, im Dress des ASV Neufeld. Hans Wetzlsdorfer, der renommierte Fotograf, der Donnerstag früh die Gemeinde dazu brachte, die Ortstafeln mit Trauerflor zu versehen, bemerkte am Vormittag freilich Unerbauliches: Die Kicker trugen die tatsächlich wettkampftauglichen Dressen, inklusive Sponsoraufschrift - das naheliegende Stammwirtshaus des Verstorbenen. Wenig später trugen die Burschen neutrale Trainingsjacken.

Währenddessen große Auffahrt vorm "Kulturzentrum Dr. Fred Sinowatz" . Bürgermeister Michael Lampl und Werner Faymann nehmen wortreich Abschied. Dann marschiert man - Bundespräsident, Nationalratspräsidentin, Bundeskanzler und so weiter - zur nahen Kirche, wo Sinowatz' Sarg bereitsteht.

Gemeinsam mit den Kollegen Leser und Bögel wacht er nun über Neufeld. Mehr Platz ist nicht mehr in der Ehrengrabloge. "Das Leben" - und das könnte jetzt wirklich ein Sinowatz-Zitat sein - "geht freilich weiter." Gleich neben dem "Sinowatz-Kulturzentrum" liegt das Landgasthaus zur Post. Und dort gab's, praktisch anschließend, den "100. griechischen Abend". (Wolfgang Weisgram/DER STANDARD, Printausgabe, 22.8.2008)