Eigentlich mag Detlef Tiegel seinen Job ja sehr gern. Er sagt sogar: "Ich liebe es, für Callcenter zu arbeiten." Das ist ungewöhnlich, denn viele, die in dieser Branche tätig sind, betrachten ihren Job nur als Notlösung.

Der 36-jährige Deutsche mit der tiefen, angenehmen Telefonstimme hängt hingegen schon seit zwölf Jahren in der Leitung. Den Menschen am anderen Ende Lose zu verkaufen ist schließlich nichts Ehrenrühriges. Das dachte Tiegel, zumindest bis er vor drei Wochen von einer Zeitarbeitsfirma an ein Callcenter in Lübeck, die Lübecker Hanseservice, vermittelt wurde. Dort sollte er unter dem Namen Eurochance Glücksspiele verkaufen, für 36 Euro monatlich. Dafür, so die Verheißung, würde sich Eurochance für seine Kunden an 200 Gewinnspielen und Preisausschreiben beteiligen. Auch das ist für Tiegel noch kein Problem.

Bald jedoch gefällt ihm sein Job gar nicht mehr. Denn der Chef legt ihm einen "frischen" Datensatz vor. Darauf sind nicht nur Adressen und Telefonnummern von potenziellen Kunden, sondern praktischerweise auch gleich deren Kontonummern. Wie das Material an das Callcenter kam, weiß Tiegel nicht. Es stammt offenbar von der Süddeutschen Klassenlotterie (SKL).

Was er dann für 7,70 Euro pro Stunde (plus Provision) zu tun hatte, schildert Tiegel so: "Sie haben doch mal bei der SKL gespielt, nun haben wir für Sie ein neues Angebot", lautete die Gesprächseröffnung, die von ihm erwartet wurde. Ob der Angerufene dann das Los kaufen wollte oder nicht, war eigentlich egal. Man hatte ohnehin die Kontodaten und konnte abbuchen.

Tiegel wird immer unwohler bei der Sache. Er schläft schlecht, bekommt Schweißausbrüche. Und dann beschließt er, diese Praktiken nicht mehr hinzunehmen. Zunächst macht er seinem Frust auf der Internetseite www.antispam.de Luft. "Es kotzt mich an", schreibt er unter seinem Pseudonym CCA72 (= CallCenter-Agent und Geburtsjahr 1972). Doch die Beklemmung bleibt, und da beschließt Tiegel, der sich gern ganz in Schwarz kleidet, auszusteigen. Er kopiert die Daten und schickt sie der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.

Den Schritt aus der Anonymität wagt er, um "anderen Leuten den Mut zu geben", auch an die Öffentlichkeit zu gehen und zu sagen: "Okay, hier läuft was nicht richtig." Natürlich ist Tiegel jetzt erst mal arbeitslos. Er weiß, dass es schwierig wird, einen neuen Job zu finden. Denn, trotz allem: Er will wieder in ein Callcenter. (Birgit Baumann/ DER STANDARD, Printausgabe, 21. August.2008)