Hongkong - Die olympischen Springreiter-Bewerbe werden von vier Dopingfällen von Pferden überschattet. Betroffen ist unter anderem die Equipe Norwegens, die Team-Bronze an die Schweiz verlieren könnte, falls beim Pferd Camiro von Tony Andre Hansen auch die B-Probe ein positives Ergebnis bringt. Hansen wurde suspendiert und durfte ebenso wie der Deutsche Christian Ahlmann (Cöster), der Ire Denis Lynch (Lantinus) und der Brasilianer Bernardo Alves (Chupa Chup) nicht an der Einzelentscheidung am Donnerstag teilnehmen. Bei allen vier Pferden wurde die verbotene Substanz Capsaicin nachgewiesen.
Tony Andre Hansen hatte im Mannschafts-Wettbewerb mit nur einem Strafpunkt das beste Ergebnis aller Reiter erzielt. Seit diesen Olympischen Spielen ist eine neue Regelung in Kraft, nach der bereits nach der positiven A-Probe Reiter und Pferd das Turnier verlassen müssen. Die Öffnung der B-Proben wurde für Freitag im "Hong Kong Analytical Laboratory" angesetzt.
Supergau
Für den Pferdesport zeichnete sich der größte Dopingskandal bei Olympischen Spielen ab. Die Zahl von insgesamt vier positiven Fällen bezeichnete Peter Hofmann, der Vorsitzende des deutschen Springausschusses, als "Supergau für den Sport" und als "absolute Katastrophe". Da denke "man natürlich darüber nach, welche Auswirkungen das auf den olympischen Reitsport hat". Die drei Pferdesport-Disziplinen gelten wegen der hohen Kosten seit Jahren als Streichkandidaten für das olympische Programm. Die neuen Doping-Fälle vergrößern das Problem. Vor vier Jahren hatte auch der Springreiter Cian O'Connor seine Goldmedaille nach einem Positiv-Test verloren.
"Ich bin fassungslos", sagte der deutsche Delegationsleiter Reinhard Wendt zum Fall Ahlmann. "Das ist ein Desaster." Der Betroffene selbst verließ nach einer Anhörung am Morgen fluchtartig Hongkong. Der 33-jährige Ex-Europameister, der mit seinem Team auf Rang fünf gelandet war, ist aus der deutschen Olympia-Mannschaft ausgeschlossen und ab sofort vom Turniersport vorerst suspendiert worden. Vor vier Jahren hatte die deutschen Springreiter ihr Team-Gold in Athen wegen einer verbotenen Medikation von Ludger Beerbaums Pferd Goldfever zurückgeben müssen.
Wirkstoff der Chilischote
Capsaicin ist nach Angaben des deutschen Mannschafts-Tierarztes Björn Nolting ein Bestandteil der Chilischote und kann zur Durchblutungsförderung eingesetzt werden. Wahrscheinlicher ist aber der Einsatz der Creme an den Vorderbeinen oberhalb des Hufes, um die Haut zu reizen, was das Anschlagen an die Stangen schmerzhafter macht. Die Substanz wäre auch deshalb geeignet, weil sie laut Nolting als "flüchtig" gilt. Capsaicin fällt grundsätzlich in die Klasse der verbotenen Medikation, im Falle des Missbrauchs allerdings unter Doping.
Nolting versicherte, dass er von keiner Behandlung des Pferdes Cöster gewusst habe. Bei einer internen Kontrolle der deutschen Olympia-Teilnehmer vor den Spielen waren nach Angaben des Tierarztes alle Proben negativ gewesen. Alle deutschen Reiter haben unterschrieben, dass die Tiere acht Wochen vor sowie während der Spiele nicht ohne Absprache mit dem Veterinär behandelt werden dürfen. "Wir haben zig-fach darüber gesprochen", berichtete Nolting. Die Reiter seien "mehrfach aufgeklärt" worden. "Wir stehen trotzdem heute da wie vor vier Jahren", klagte der Veterinär. (APA)