Georg Niedermühlbichler: "Beim Ausmalen ist es relativ klar: Wenn ich eine Wohnung zurückgebe, bin ich als Mieter nicht verpflichtet, sie auszumalen. Das nehmen die Vermieter jetzt auch zur Kenntnis."

Foto: derStandard.at/Putschögl

Froh ist der Präsident der Mietervereinigung über die Ankündigung Martin Bartensteins, unter einem Kanzler Werner Faymann nicht mehr als Minister zur Verfügung zu stehen: "Das wäre eine große Hoffnung für die Mieterschützer."

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"Erschreckende Ergebnisse" über die Arbeit der Immobilienmakler habe eine von der Mietervereinigung (MVÖ) durchgeführte Studie ans Licht gebracht, sagt MVÖ-Präsident Georg Niedermühlbichler im Interview mit derStandard.at. "Mehr als die Hälfte der Makler kommt ihren Aufklärungspflichten nicht nach", das Preis-Leistungs-Verhältnis stimme einfach nicht. Die Studie wird demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt.

Im Gespräch mit Martin Putschögl empfiehlt Niedermühlbichler außerdem, die im Bereich Wohnen eingehobene Mehrwertsteuer nicht abzuschaffen oder zu senken, sondern für die Wohnbauförderung zweckzubinden - "das wäre sinnvoll, denn dann könnte man durch die Schaffung geförderter Wohnungen auch wieder den Mietpreis regulieren". Mit der ÖVP in ihrer jetzigen Form sieht der SP-Landtagsabgeordnete nach der Nationalratswahl keine Chance auf Verbesserungen im Mietrecht, er hofft aber ohnedies, dass nach der Wahl vieles beim Noch-Koalitionspartner anders ist - unter anderem wünscht er sich den Abgang von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, in dem er den "größten Bremsklotz für ein soziales Mietrecht" erkennt.

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derStandard.at: Herr Niedermühlbichler, Sie haben zuletzt sehr bedauert, dass der Vorstoß von Ministerin Berger in Sachen Einfrieren der Kategoriemieten-Anhebung am Widerstand der ÖVP gescheitert ist. Die Immobilienwirtschaft betont stets, dass diese billigen Altmietverträge bloß die Mieten für junge Menschen verteuern würden und so eine "Zwei-Klassen-Gesellschaft der Mieter" entstand. Wie sehen Sie das?

Niedermühlbichler: Ich habe das deswegen bedauert, weil es sich bei den Kategoriemieten nicht um "privilegierte Mieter" handelt, wie sie von ÖVP-Wohnbausprecher Peter Sonnberger bezeichnet wurden. Die Kategoriemiete liegt derzeit bei 2,91 Euro pro Quadratmeter, mit Betriebskosten und Umsatzsteuer kommt man auf 5 Euro, und das macht bei einer 70 Quadratmeterwohnung 350 Euro Miete aus. Wenn man dann noch Strom und Gas dazurechnet, kommt man auf einen Betrag, den sich viele Menschen nur mehr knapp leisten können.
Was die Immobilienwirtschaft sagt, verstehe ich aus deren Warte. Wir sehen das anders. Unser Ansatz ist es, die Richtwertmieten wieder herunterzubringen. Wir sehen, dass sich die Menschen die Kategoriemieten gerade noch leisten können, während es bei den Richtwertmieten schon oft nicht mehr leistbar ist. Unsere Forderung als Mietervereinigung ist deshalb, dass man zunächst den Lagezuschlag abschafft. Wir sehen nicht ein, dass jemand deutlich mehr verlangen kann, wenn er ein Haus hat, wo zufällig eine U-Bahn hingebaut wird. Und wir verlangen auch, dass die Zuschläge auf 25 Prozent des Richtwertes begrenzt werden. Das heißt, eine Richtwert-Mietwohnung, die der Kategorie A entspricht, dürfte dann nicht mehr als 5,60 Euro pro Quadratmeter kosten. Das ist ein Preis, wo auf der einen Seite die Immobilienwirtschaft noch sehr gut davon leben kann, und der es andererseits den Menschen erlaubt, sich das Wohnen wieder leisten zu können.

derStandard.at: Die "Zwei-Klassen-Gesellschaft der Mieter" existiert für Sie also nicht?

Niedermühlbichler: Die existiert insofern, als die Richtwertmieten einfach überzogen sind. Die Antwort kann nicht lauten, die Kategoriemieten nach oben anzuheben, sondern die Richtwertmiete muss nach unten korrigiert werden. Wir sind in einer Situation, wo sich viele Menschen das Wohnen auf dem freien Mietmarkt nicht mehr leisten können. Wir betrachten Wohnen nicht als Ware. Wohnen ist ein Grundrecht, daher bedarf es hier eines besonderen Schutzes.
Es geht nicht, dass einzelne Gruppen sich auf Kosten der Allgemeinheit viel Geld anhäufen und die Allgemeinheit damit ausgeblutet wird. Wir haben sehr viele Menschen, die in einer Mietwohnung leben müssen. Die können sich das nicht aussuchen, die Miete muss regelmäßig bezahlt werden. Und da ist es noch ein Stückchen ungerechter, wenn der Vermieter die Möglichkeit hat, so viel zu kassieren, was ihm eigentlich nicht zusteht.

derStandard.at: Die Immobilienwirtschaft wird das naturgemäß etwas anders sehen, aber es gibt ja auch durchaus gemeinsame Interessen, nämlich etwa endlich die Novellierung des Mietrechtsgesetzes (MRG) im Sinne der jüngsten OGH-Urteile. Gibt es da Fortschritte?

Niedermühlbichler: Es gab bekanntlich eine Arbeitsgruppe zwischen Arbeiterkammer und Mietervereinigung auf der einen Seite und den Immobilientreuhändern und dem Hauseigentümerverband auf der anderen Seite. Wir haben intensiv verhandelt und einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, dem letztlich alle Teilnehmer zugestimmt hatten. Dieser Vorschlag wurde dann der Justizministerin übermittelt, allerdings sind dann die ÖVP-Vertreter zurückgerudert und wollten das Kompromisspapier nochmals nachverhandeln. Wir waren nicht bereit, noch weitere Kompromisse auf Kosten der Mieter einzugehen, und so ist dieses Gesetz letztlich nicht zustande gekommen. Was ich sehr bedaure, weil es wichtige Klarstellungen gegeben hätte. Jetzt sind wir wieder dort, wo wir am Anfang waren.

derStandard.at: Auch die Novellierung der Maklerverordnung ist bisher nicht gekommen...

Niedermühlbichler: Bei der Maklerverordnung war die große Enttäuschung die, dass der zuständige Minister Martin Bartenstein im Gegensatz zur vorhergehenden Vereinbarung einen Entwurf präsentiert hat, der nur einen kleinen Teil der Mieter betroffen hätte. Sozialminister Erwin Buchinger hat dann nach Rücksprache mit uns gesagt: Das kann's nicht sein, dem stimmen wir nicht zu.
Wichtig bei der Maklerfrage wäre, dass wir von den drei Monatsmieten Provision wegkommen. Wir haben als Mietervereinigung eine Studie durchgeführt, die erschreckende Ergebnisse ans Licht brachte: Mehr als die Hälfte der Makler kommt ihren Aufklärungspflichten nicht nach, und auch das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt in keinem Fall. Deshalb fordern wir, dass die Maklergebühren vom Auftraggeber zu bezahlen sind. Und das ist zu 99 Prozent der Vermieter, der seine Wohnung an den Mann oder an die Frau bringen will. Der soll die Maklerprovision zahlen. Nicht der Mieter, der schon irrsinnig viel Vorarbeit leisten muss, wenn er im Internet oder in der Zeitung vorselektiert: Welche Wohnung kommt in Frage, welche ist groß genug, welche kann er sich leisten und liegt in dem Bezirk, den er sich wünscht? Und dann geht er hin, der Makler zeigt ihm die Wohnung, das dauert im Schnitt zehn Minuten - und dafür soll er drei Monatsmieten zahlen?

derStandard.at: Die Immobilienwirtschaft führt als "wahren" Grund für die Mietpreissteigerungen immer die Verteuerungen bei den öffentlichen Gebühren an. Sie selbst nannten das kürzlich "reine Propaganda" und wiesen darauf hin, dass der ständig steigende Mietzins der wahre Preistreiber sei. Man hat als Beobachter das Gefühl, das sind kategorische Schuldzuweisungen, die nichts bringen.

Niedermühlbichler: Man muss sich die Fakten anschauen. Die Gebühren machen nur einen Teil der Betriebskosten aus. Wir haben dazu heuer erstmals einen Betriebskostenspiegel gemacht, der ausweist, dass in Wien die durchschnittlichen Betriebskosten bei 1,56 Euro liegen. Davon ist wiederum ein Drittel an öffentlichen Abgaben zu entrichten. Diese wurden im letzten Jahr zugegebenermaßen erhöht. Allerdings haben unsere Berechnungen ergeben, dass die Gebühren in Wien seit dem Jahr 1995 inflationsbereinigt sogar um 0,8 Prozent gesunken sind. Es lässt sich also klar sagen, dass nicht die Gebühren, sondern dass die Mieten die Preistreiber sind. Die haben sich seit 1994 nämlich verdreifacht.
In Wien haben wir schon noch eine günstigere Entwicklung als in vergleichbaren Städten, aber wir sind schon sehr weit abgedriftet. Und da sind die Hauseigentümer eben gefordert, nicht Profit um jeden Preis zu machen.

derStandard.at: Was halten Sie vom Vorschlag Wolfgang Louzeks, des Präsidenten des Verbands der Immobilien-Investoren, die Mehrwertsteuer bei den Mieten zu senken bzw. eine Zeitlang auszusetzen?

Niedermühlbichler: Wir haben uns mit dieser Mehrwertsteuer-Debatte intensiv beschäftigt und sind zum Schluss gekommen, dass eine Abschaffung an den Mieten nichts ändern würde. Für die bestehenden Mieter wäre die Abschaffung natürlich vordergründig interessant, weil die um zehn Prozent weniger Miete zahlen würden. Letztlich wäre die Ersparnis jedoch nicht so deutlich, da ja dann die Betriebs- und Wartungskosten brutto an die Mieter weiterverrechnet werden würden. Bei Neumietverträgen ist außerdem zu befürchten, dass das einfach wieder draufgeschlagen wird und sich also die Vermieter dieses Geld unter den Nagel reißen.
Unser Vorschlag ist, die Mehrwertsteuer, die im Bereich Wohnen eingehoben wird - das sind zwischen 350 und 400 Millionen Euro im Jahr - für die Wohnbauförderung zweckzubinden. Die Wohnbauförderung ist nämlich seit dem Jahr 1996 bei 1,8 Milliarden Euro eingefroren. Wenn sie jetzt um diesen Betrag also auf 2,2 Milliarden Euro aufgestockt würde, könnte einerseits neuer Wohnraum geschaffen werden und andererseits könnten energetische Maßnahmen durchgeführt werden. Das wäre sinnvoll, denn dann könnte man durch die Schaffung geförderter Wohnungen auch wieder den Mietpreis regulieren.

derStandard.at: Die Mietrechtsgesetzgebung ist in letzter Zeit vor allem durch den OGH passiert, einige Dinge wie zum Beispiel die Thermenerneuerung oder die Ausmalverpflichtung wurden zugunsten der Mieter entschieden. Eine Gesetzesänderung ist aber noch ausständig. Wie wird das von Seiten der Vermieter Ihrer Erfahrung nach jetzt in der Praxis gehandhabt?

Niedermühlbichler: Der OGH hat bei diesen zwei Urteilen sehr klar unsere Meinung bestätigt. Aber er hat halt nur - zum Beispiel bei der Thermenproblematik - gesagt: "Der Mieter muss die defekte Therme nicht zahlen." Er hat nicht gesagt: "Der Vermieter muss sie zahlen." Hier wäre etwas mehr Klarheit von Vorteil gewesen. Wir sind jedenfalls der Auffassung, dass der Vermieter darauf zu schauen hat, dass die Therme funktioniert, wenn der Mieter eine Wohnung mit einer solchen gemietet hat, und dass sie getauscht wird, wenn sie defekt ist.
Beim Ausmalen ist es relativ klar: Wenn ich eine Wohnung zurückgebe, bin ich als Mieter nicht verpflichtet, sie auszumalen. Das nehmen die Vermieter jetzt auch zur Kenntnis. Es wird zwar öfters versucht, das Ausmalen dem Mieter in Rechnung zu stellen oder die Kaution einzubehalten. Es ist aber mittlerweile klar, dass ich als Mieter - sofern ich eine normale Abnützung habe - nicht verpflichtet bin, die Wohnung in tadellosem Neuzustand zurückzustellen.

derStandard.at: Kann man da von Einzelfällen sprechen?

Niedermühlbichler: Es kommt schon immer wieder vor. Vor allem, dass die Kaution nicht wieder zurückbezahlt wird. Ein Problem dabei ist auch, dass der Mieter die Rückforderung jetzt im streitigen Verfahren angehen muss, also mit Anwalt, Klage vor Gericht und allem drum und dran. Das ist oft kostenintensiv und schreckt viele Mieter ab. Unsere Forderung ist deshalb, die Rückerstreitung der Kaution ins Außerstreitverfahren zu geben, wo man zur Schlichtungsstelle gehen kann und das im Idealfall gar nichts kostet. So könnten Mieter risikolos die Kaution zurückerstreiten. Jetzt ist es schwierig, weil es da oft um 1000 oder 1200 Euro geht, und man weiß ja nie, wie die Gerichte entscheiden.
Außerdem fordern wir, den Zuständigkeitsbereich des Mietrechtsgesetzes auszuweiten und auf alle Mietverträge anzuwenden.

derStandard.at: Vizekanzler Wilhelm Molterer haben Sie kürzlich in einer Aussendung vorgeworfen, "kein soziales Gewissen" zu haben. Als SPÖ-Landtagsabgeordneter braucht Sie die ÖVP nicht sonderlich zu tangieren, aber glauben Sie, dass auf Bundesebene mit einer neuerlichen Großen Koalition sich beim Mietrecht etwas ändern ließe?

Niedermühlbichler: Wenn die ÖVP so ist, wie sie sich in den vergangenen eineinhalb, zwei Jahren - und auch zuvor noch in der schwarz-blauen Koalition - gezeigt hat, dann sehe ich im wahrsten Sinne des Wortes "schwarz", dass da etwas weitergehen könnte. Ich glaube aber, dass es nach der Wahl in der ÖVP viele Leute, die jetzt noch dort am Werken sind, nicht mehr geben wird. Ich habe unlängst erst mit Freude gelesen, dass Minister Bartenstein gesagt hat, unter einem Kanzler Faymann würde er nicht mehr zur Verfügung stehen. Das wäre eine große Hoffnung für die Mieterschützer, weil Bartenstein - bei dem ein Großteil der Wohnungsagenden angesiedelt ist - der größte Bremsklotz für ein soziales Mietrecht war. Solche Aussagen lassen mich freudig in die Zukunft blicken, dass es unter einem Bundeskanzler Faymann andere vernünftigere Köpfe geben wird. (derStandard.at, 21.8.2008)