Bergsteiger zwischen den Eisnadeln eines Gletschers. Anonyme Stereofotografie, um 1865

Foto: Albertina

Vom "Heroismus des Sehens" sprach die Essayistin und Kritikerin Susan Sontag und charakterisierte damit den Gestus des Fotografierens in entlegenen und gefährlichen Gebieten. Die Gefahr "macht natürlich auch den Reiz für die Betrachter aus", meint Monika Faber.

Faber, Leiterin der Fotosammlung in der Albertina und Kuratorin der Ausstellung Die Weite des Eises, setzt diesen Heroismus in Bezug zur Fotografie des Alpinen und der Gletscher. Die neun bis zehn Fotoplatten (Nasses Kollodiumverfahren), die die Pariser Brüder Bisson 1860 unter großen Anstrengungen aus dem Montblanc-Massiv mitgebracht hatten, erregten großes Aufsehen - auch in Wien, wo die Bilder anlässlich der Gründung des Österreichischen Alpenvereins 1862 gezeigt wurden. "Die Leute wussten nicht nur, das ist der höchste Berg Europas (4811 m), sondern auch, wie kompliziert und strapaziös das für die Fotografen und Träger ist".

Staffage am Felszacken

Bei insgesamt 91 Platten, die der Alpenmaler Adolf Obermüllner (1833-1898) und der Fotograf Gustav Jägermayer (1834-1901) von ihrer Großglockner-Expedition 1863 mitbrachten, wird deutlich, wie viel höher der betriebene Aufwand war. Ganze 17 Träger schleppten Glasplatten, Chemie und Dunkelkammer in eisige Höhen, um dann am "idealen Gletscherbild" als auf Felszacken sitzendes Staffageelement aufzutauchen. Die Ausstellung in der Albertina illustriert, wie schnell nach der Erfindung des neuen bildnerischen Mediums, die Herausforderung des Gipfelstürmens und Gletscherüberschreitens fotografisch dokumentiert wurden. Die Verschränkung von Wissenschaft, Fotografie und Kunst lässt sich auch an der fast zeitgleichen Gründung der Photographischen Gesellschaft (1861) und des Österreichischen Alpenvereins (1862) und ablesen.

Das Fotografieren am Gletscher war ein "wahnsinniges technisches Problem", erklärt Faber in jenem Saal, der den zeitgleichen Alpenexpeditionen des 19. Jahrhunderts gewidmet ist und der den künstlerischen Annäherungen Jägermayers, die wissenschaftlichen von Friedrich Simony gegenüberstellt. In den 1840er-Jahren begann dieser mit seinen Dachsteinbeobachtungen.

Ab 1875 begann er mit der fotografischen Dokumentation der Gletscher am Dachsteinmassiv vom stets konstant gleichen Blickpunkt. "Wenn die Sonne auf den Gletscher schien, war es so hell, dass man nur ganz kurz belichten konnte, der Himmel also zu dunkel wurde. Beim Kopieren versuchte man die Übergänge abzuwedeln, was den Bergen diese Art Heiligenschein verleiht. Auch in den Figuren gibt es keine Zeichnungen. Das bleiben, wegen der kurzen Belichtung immer Silhouetten."

"Die Bilder von Simony sind längst nicht so brillant", denn den Aufwand den Obermüllner und Jägermayer betrieben, konnte sich Simony freilich nicht leisten. Statt siebzehn Trägern nahm er Trockenplatten mit, mit denen Wilhelm Joseph Burger gerade die ersten Erfahrungen gemacht hatte. Allerdings verlängerte das die üblichen Belichtungszeiten von einer halben bis zu dreißig Sekunden (Kollodium-Nassplatte) auf eine dreiviertel Minute bis eineinhalb Stunden. Neben zahlreichen Fotografien zeigt die Ausstellung Zeichnungen und Aquarelle, die das romantische Landschaftsbild illustrieren. Darüberhinaus zeigen diese wie die Maler ihre Landschaften arrangierten, hier und da zugunsten des dynamischen Bildes ein wenig nachhalfen. Triumphieren konnte die Fotografie hingegen in der Darstellung von Oberflächen und Strukturen, beim Charakterbild der Gletscher. Und auch in der Illusion von Raum und Plastizität hatte die Fotografie mit der Erfindung der Stereofotografie bald die Nase vorn.

Helden des Polaren

Die noch größeren Helden waren aus Sicht des Publikums, aber die Forscher der Polarexpeditionen. 1872 startete die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition, die der Fotograf Wilhelm Burger und Graf Hans Wilczek auf einem Segelschoner begleiteten. Am Rückweg blieb das Expeditionsschiff allerdings im Eis stecken. Zwei Jahre lang rechnete niemand mehr mit der Rückkehr der Forscher. Doch es kam anders: Ein Jahr nach der glorreichen Heimkehr fertigte Adolf Obermüllner zwölf Gemälde zum Polardrama. "Für die Ausstellung im Künstlerhaus stellen sich die Leute quer über den Karlsplatz an, auch der Kaiser kam. Das Drama ist natürlich heroisch". (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.8.2008)