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Leonhard Knoll und Ekkehard Wenger (siehe untenstehendes Bild) die "Schrecken der Firmen- Vorstände".

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Ekkehard Wenger

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Die Schuldigkeit des Mohren gesehen, aber nichts getan? Screenshot des Internetauftritts von Meinl European Land im April des Jahres.

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Während die Weltbörsen unter einer der größten Bankenkrisen in der Geschichte stöhnen und allenthalben der Ruf nach schärferen Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden laut wird, erscheint in Österreich die Welt zumindest auf den ersten Blick in Ordnung: Vermeintliche oder tatsächliche Skandale sind gegenüber dem allgemeinen "subprime" -Problem eher Fälle singulärer Natur. Indessen zeigt gerade der medienträchtige Fall Meinl European Land ltd. (kurz MEL, seit dem 1.8.2008 firmierend als Atrium European Real Estate ltd.), dass die glücklichere Kapitalmarktsituation hierzulande sicher nicht auf besserer institutioneller Kontrolle beruht.
Für diesen Befund spricht bereits der Ausgangspunkt aller heutigen Dispute: Die - neutral formuliert - komplexe Struktur der Gesellschaft. Die MEL ist als ltd. eine Kapitalgesellschaft nach dem Recht der Kanalinsel Jersey. Die an der Wiener Börse gehandelten Titel sind selbst keine Aktien, sondern Zertifikate ("ADC" ), die mit treuhänderisch gehaltenen Aktien korrespondieren und neben nicht börsengehandelten teileingezahlten Aktien ("PPS" ) das Eigenkapital der Gesellschaft bilden. Mit dieser Struktur und dem für sie geltenden Jersey-Recht hat das Leitungsorgan der Gesellschaft Freiheiten, von denen Vorstände deutschsprachiger Aktiengesellschaften nur träumen können. Nicht zuletzt die Möglichkeiten zur Veränderung des Umlaufvolumens der Zertifikate erinnern eher an eine Mischung aus geschlossenem und offenem Immobilienfonds als an eine heimische Aktiengesellschaft.

Zwischen Debakel ...

Gerade wenn man darauf verstört reagiert, wundert es aber über die Maßen, dass weder die Wiener Börse noch die Finanzmarktaufsicht (FMA) daran Anstoß nahmen, obwohl all dies in den Emissionsprospekten von MEL unbestreitbar zum Ausdruck kam. Streitig ist demgegenüber, wenn man öffentliche Verlautbarungen betrachtet, wie tief die Prüfung der Prospekte durch Börse und FMA gehen musste und in Abstimmung mit der Emittentin letztlich ging.
Ganz unabhängig davon kann es indessen nicht angehen, dass Anleger nach der Prüfung in den Prospekten falsche Angaben über das anzuwendende Recht lesen. Entweder trafen diese Angaben also zu oder Börse und FMA sind ihrer Prüfungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Beide scheinen trotz des Umstands, dass auch Zertifikate auf Eigenkapitaltitel anderer ausländischer Unternehmen an der Wiener Börse notiert sind und diese vergleichbare Emissionsangaben aufweisen müssten, mit derartigen Wertpapieren allgemein Probleme zu haben, denn anstelle von ADC wurde mitunter von Shares bzw. Aktien gesprochen.
Problematisch wurde all dies jedoch erst, als die MEL-Leitung von ihren Jersey-Rechten Gebrauch gemacht hatte und die komplexe Gesamtstruktur nach einem deutlichen Kursrückgang ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten war. Schnell entbrannte eine heftige Debatte, die jüngst sogar zur Erstattung von Strafanzeigen (vgl. S. 28) und diversen juristischen Auseinandersetzungen führte. Auch die FMA wurde nunmehr "aktiv" und verhängte mehrere Strafen gegenüber der MEL und der im genannten Zusammenhang verantwortlichen Personen. Zur Rechtskraft hat es bisher noch keine Sanktion gebracht, und dennoch lässt sich die Rolle der FMA schon jetzt sehr gut beurteilen.
Kurz vor Beginn des Rückkaufprogramms hatte MEL eine Kapitalerhöhung durchgeführt und dabei war es zur bereits beschriebenen Vorlage des Emissionsprospekts mit dem ebenfalls bereits beschriebenen Ergebnis gekommen. Auch darüber hinaus kam es danach unbestritten zu Kontakten zwischen MEL bzw. Meinl Bank und FMA, deren genauer Inhalt und deren Sinn wiederum zwischen den Beteiligten strittig sind.
Der erste Streitpunkt betrifft eine Anfrage der MEL vor der Programminitialisierung bei der FMA - genau genommen wie "abstrakt" diese Anfrage war und ob die MEL aus der Antwort auf die rechtliche Unbedenklichkeit ihres Plans schließen durfte. Bis zur Klärung dieser Aspekte bleibt allerdings bemerkenswert, dass die Antworten der FMA für MEL letztlich nicht abschreckend waren.
Noch bemerkenswerter ist freilich der zweite Streitpunkt: Im Rahmen der gesetzlichen Meldepflichten musste die Meinl Bank, über die als Depotbank die Rückkäufe abgewickelt wurden, mit maximal eintägiger Verzögerung jede Transaktion an die FMA melden. Zwar wird der Käufername dabei nicht genannt, aber über die Identifikationsnummer ist immerhin eine Zuordnung der Käufe auf die anonymen Akteure möglich. Die FMA konnte, ja musste also erkennen, dass ein Kunde der Meinl Bank von Februar bis August fast 30 Prozent der umlaufenden Zertifikate an der Börse aufkaufte. Sie nahm während dieser Zeit aber keinerlei Anstoß an diesem Umstand, es gab keine Nachfrage, geschweige denn ein Verbot weiterer Käufe - all dies im Bewusstsein der Prospektinhalte und der wie abstrakt auch immer erfolgten Anfrage.
Nach Ansicht der FMA ist dies völlig in Ordnung, weil mit solchen Meldungen nur ex post mögliche Unregelmäßigkeiten nachprüfbar gemacht werden sollen. Indessen fragt man sich, warum die Meldungen dann so unmittelbar erfolgen müssen, wenn selbst solche, die mehrere Monate laufen, noch nicht "ex post genug" sind, um als Kontrollinstitution die Rechtmäßigkeit von Börsentransaktionen zu hinterfragen, geschweige denn ihre Weiterführung zu unterbinden. Selbst hohe Transaktionszahlen können dies im Zeitalter leistungsfähiger Auswertungsprogramme nicht begründen.

... und Bredouille

Mit den später erlassenen Strafbescheiden hat sich die FMA dann aber endgültig in die denkbar schlimmste Zwickmühle begeben: Stellt sich heraus, dass das Handeln von MEL und Meinl Bank rechtmäßig war, gibt sie sich selbst der Lächerlichkeit preis. Wird dagegen tatsächlich ein rechtswidriges Handeln der beiden festgestellt, hat sie angesichts ihres eigenen Vorgehens das Tor zur Amtshaftung weit aufgestoßen. Je nachdem, ob man als Anleger oder Steuerzahler mehr betroffen ist, wird man sich eher die eine oder die andere Alternative wünschen - für die FMA ist jeder potenzielle Ausgang ein Fiasko.
Damit kommt man unversehens zum Ausgangspunkt zurück. Das unsägliche Verhalten der FMA fügt sich nahtlos in die internationale Unfähigkeit höchster Aufsichtsbehörden, die andernorts indessen zu wesentlich größeren Schäden geführt hat. Daher fällt es letztlich leicht, das bereits getroffene Urteil über die thematisierte Variante von "tu felix Austria" noch zu verschärfen: Österreich hat momentan sicher einen relativ glücklichen Kapitalmarkt, aber nicht wegen, sondern trotz seiner Finanzmarktaufsicht, die mit internationalen Unfähigkeitsstandards voll mithalten kann. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.8.2008)