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"Ein Haufen verwegener Hunde" , die Vorlage für Quentin Tarantinos neuen Film "Inglorious Bastards". Die Ära des beflissenen US-Kriegsfilms dürfte damit vorbei sein.

 

 

 

Fotos: AP/Paramount/Filmarchiv

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Lächerliches Pathos als Sommerhit. Ben Stiller wird in "Tropic Thunder" mit vermeintlich letzten Worten bedacht.

 

 

Fotos: AP/Paramount/Filmarchiv

Die größte internationale Rolle, die der deutsche Filmstar Til Schweiger bisher aufzuweisen hat, war der Sachsenfürst Cynric in dem Barbarenspektakel King Arthur. Schweiger wurde dort ziemlich schnöde abgemurkst, er wandte sich dann wieder der heimischen Szene zu und drehte im Vorjahr mit der romantischen Komödie Keinohrhasen einen überraschenden Publikumshit. Nun stehen die Chancen aber gut, dass er auch die martialischen Anteile an seiner Männlichkeit wieder ins Treffen führen kann.

Quentin Tarantino ist in Europa, die meiste Zeit treibt er sich in Berlin herum und spricht mit Schauspielern, die er für sein nächstes Projekt ins Auge gefasst hat. Der Titel: Inglorious Bastards. Das Thema: ein dreckiger Haufen Männer im Finale des Zweiten Weltkriegs. Die Vorlage: Ein italienischer Kriegsfilm aus dem Jahr 1978, der im Original Quel maledetto treno blindato heißt, so viel wie Dieser verdammte gepanzerte Zug. Tatsächlich hieß der Film in Deutschland und Österreich Ein Haufen verwegener Hunde.

Til Schweiger könnte mitspielen, vielleicht auch Daniel Brühl, Nastassja Kinski hat schon so gut wie unterschrieben, und mit Brad Pitt muss Tarantino nur noch verhandeln, nach welcher Quote sie sich den Künstleranteil an den Einspielergebnissen aufteilen wollen.

Inglorious Bastards sorgt in einschlägigen Foren für beträchtliche Aufregung, auch das Drehbuch kursiert schon, zumindest eine Version davon, die einen hohen Trash-Faktor verspricht: "Every man under my command owes me one hundred scalps" , lautet eine zentrale Zeile der Figur Aldo Raine aka Aldo - der Apache -, die Brad Pitt spielen soll.

Dass Quentin Tarantino sich an einem Stoff über den Zweiten Weltkrieg versucht, deutet also keineswegs darauf hin, dass er es nach seiner Schundfilm-Hommage Death Proof nun seriöser angehen oder gar seinen persönlichen Blick auf die Weltgeschichte erkunden will. Im Gegenteil: Auch hier blickt der wichtigste Vertreter der Postmoderne im amerikanischen Kino wieder strikt durch das Fernglas der Filmgeschichte. Seine Vorlage ist ein echter Reißer, eine jener internationalen Koproduktionen mit spekulativer Handlung und Ästhetik, die in den Siebzigerjahren üblich waren.

Tarantino im Trend

Während Tom Cruise mit Valkyrie, in dem er den deutschen Widerstandskämpfer Graf Stauffenberg spielt, zahlreiche Probleme hat (gerade wurde wieder einmal ein neuer Starttermin festgelegt, kurz vor Weihnachten 2008), wird Tarantino sich um Seriosität wenig kümmern und könnte damit genau im Trend liegen.

Denn nach einer Reihe von beflissenen Dramen über die amerikanischen Kriege im Irak und in Afghanistan (Of Lions and Lambs, In the Valley of Elah) werden klassische Kriegs- und Geschichtsfilme derzeit wieder eher aufs Korn genommen. Ben Stiller hat mit Tropic Thunder (siehe weiter unten) gerade einen Sommerhit gelandet, der als Abgesang auf das Genre des Vietnamfilms gelten kann und nebenbei eine passende Antwort auf eines der Comebacks des Jahres gibt: Sylvester Stallone trat seinen Dienst als Rambo wieder an.

Unterdessen haben in Hollywood die Vorbereitungen zu einem weiteren Remake begonnen, das als Indiz für ein Comeback des Kalten Kriegs in der öffentlichen Wahrnehmung gelten kann: Red Dawn, John Milius' kontroverser Schocker über eine sowjetische Invasion auf amerikanischen Boden aus dem Jahr 1984, soll neu gedreht werden.

Ein "Bambi" für "Courage"

Aus diplomatischen Gründen ist die Schurkenrolle noch neu zu besetzen - wo sich allerdings auf diesem Planeten eine Invasionsarmee finden soll, die es flächendeckend mit den USA aufnehmen könnte, bleibt vorerst das Geheimnis von Drehbuchautor Ellsworth Penning.

Quentin Tarantino hat seit vielen Jahren von Inglorious Bastards gesprochen. Es ist eines seiner Traumprojekte. Im Oktober sollen in Deutschland die Dreharbeiten beginnen, ein knappes Jahr, nachdem Tom Cruise seinen Berliner Sommer zu Ende brachte, indem er einen "Bambi" in der Kategorie "Courage" für eine Darstellung des Grafen Stauffenberg entgegennahm, die damals noch kein Mensch gesehen haben konnte.

Zu den Details, die inzwischen aus der Postproduktion von Valkyrie durchsickern, zählt auch, dass Cruise sich für die Rolle einen so seltsamen deutschen Akzent für sein Englisch antrainierte, dass er nun nachsynchronisiert werden muss. Bei Tarantino wird es das Problem nicht geben. Er will die Nazis, die ihren Skalp lassen müssen, mit Deutschen besetzen. Das ist die Chance für Til Schweiger.

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 Der Golem mit dem Baseballschläger

Wenn das Drehbuch zu Inglorious Bastards, das derzeit im Internet – etwa auf tarantinoboard.com und einigen anderen Seiten – kursiert, echt ist, dann hat Quentin Tarantino die Vorlage ganz schön zerfleddert und unter anderen Vorzeichen neu zusammengesetzt.

Eine "Operation Kino"  soll sich nicht mehr gegen die deutsche Wunderwaffe V2, sondern gegen  Goebbels Propagandamaschinerie richten. In Paris soll ein letztes Machwerk des Nazikinos zur Aufführung kommen, die Kommandoaktion richtet sich gegen dieses Ereignis. Tarantino wartet dabei mit Figuren wie Donny Donowitz auf, Kampfname "The Bear Jew", Lieblingswaffe: ein Baseballschläger. Was wie eine typische Trash-Idee klingt, wird allerdings kühn mit der Mythologie vom Golem kurzgeschlossen.

Generell stärkt der 45-jährige US-Regisseur das Motiv des jüdischen Widerstands gegen die Nazis, der Zweite Weltkrieg wird bei ihm zu einer Konfrontation zwischen "Judenjägern"  und jüdischen Kämpfern, wobei durch die weibliche Hauptfigur das Kino, die Résistance und die jüdische Bevölkerung stark miteinander assoziiert werden.

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Lieber arm dran als Arm ab
Der Kassenschlager Tropic Thunder parodiert Kriegsfilm-Pathos, US-Behindertenverbände protestieren

Wo früher die Hände waren, ragen nun zwei blutige Stümpfe in die Luft: Der schwerverwundete Soldat liegt in den letzten Zügen, sein Kamerad soll sich noch zu einem großen Wort aufraffen, während im Hintergrund die Bomben fallen. Aber es klappt nicht, die Szene geht schief, das ganze Pathos (und die schönen Explosionen) gehen ins Leere. Der amerikanische Komödiant Ben Stiller, der den Soldaten mit den zerfetzten Händen spielt, zeigt in Tropic Thunder, dass der Kriegsfilm eine schwierige Kunst ist, während es vergleichsweise einfach ist, sich darüber lustig zu machen.

Innerhalb kürzester Zeit hat sich diese Parodie, deren Bezüge auf Apocalypse Now! von Francis Ford Coppola und andere Vietnam-Epen überdeutlich sind, in den USA an die Spitze der Kino-Charts gesetzt, noch vor dem Batman-Film The Dark Knight und dicht gefolgt von der Kiffer-Komödie Pineapple Express.

In Tropic Thunder schickt ein junger Regisseur seine Hauptdarsteller einfach in den Krieg. Er will sie einem "realen" Guerillakrieg aussetzen, aber die verwöhnten Stars verwechseln nun erst recht Explosionen mit Spezialeffekten und die Siedlungen der Gegner mit einem Dschungelcamp. Nebenbei parodiert Stiller damit auch Behindertendramen, was in den USA zu Protesten gegen den Film geführt hat.

Per Satellitentelefon ist das Team ständig mit Hollywood verbunden, wo Tom Cruise (mit Glatzenmaske nicht gleich erkennbar) einen fiesen Produzenten gibt. Für das Genre des Kriegsfilms, eine der Königsdisziplinen des amerikanischen Kinos, bedeutet dieser Erfolg, dass das Pendel wieder einmal in die Richtung der Selbstreflexion ausschlägt. Stiller macht sich nicht über den Vietnamkrieg lustig, sondern über das lächerliche Pathos, von dem viele Vietnam-Filme geprägt sind. Die kitschigen Erfolgsformeln werden hier grandios übersteigert, Helden gibt es nur noch als Schablonen, die in den Medienbetrieb eingespeist werden. Unweigerlich wird das Pendel auch wieder zurückschlagen.

Es wird neue Versuche geben, den amerikanischen Erfahrungen im Krieg eine künstlerisch wertvolle Form zu geben. Es sind aber dann gerade diese Filme wie Saving Private Ryan oder Geboren am 4. Juli, die sich in der Regel als eminent parodierbar erweisen.

So klärt sich das Kino über sich selbst auf. Gegen Kriege kann es ohnehin nichts ausrichten. (Bert Rebhandl / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.8.2008)