Der Tonfall erinnert an die Zeit des Kalten Krieges: Moskau sieht im Raketenschild der USA in Europa "Russland-feindliches Potenzial" und wirft Washington vor, ein Wettrüsten auszulösen. Moskau droht im Gegenzug damit, neue Raketen in Weißrussland und Kaliningrad aufzustellen, die auf Warschau und Prag programmiert werden - zu "Verteidigungszwecken". Raketen sollen auch bei den alten Verbündeten Syrien und Kuba installiert werden.
Staaten wie Großbritannien werfen Russland "völkerrechtswidriges Vorgehen" in Georgien vor, und ehemalige Ostblockstaaten und nunmehrige Nato-Partner kündigen an, sich gegen "russische Aggressionen" verteidigen zu wollen.
Die Geschichte scheint sich zu wiederholen: Ost und West prallen aufeinander, beide Seiten stürzen sich in einen Rüstungswettlauf - wobei sich "der Westen" stärker an Russland herangeschoben hat. Dabei gab es in den Neunzigerjahren Abrüstungsbemühungen und selbst in der Nato eine Partnerschaft. Jetzt herrscht wieder das Prinzip des Wie-du-mir-so-ich-dir: Die Nato setzt bis auf weiteres Treffen des Nato-Russland-Rates aus, der Kreml stornierte daraufhin die militärische Zusammenarbeit.
Durch den Krieg im Kaukasus werden auch die Fronten innerhalb der EU wieder deutlich sichtbar: hier die neuen EU-Länder und Großbritannien, der treueste Partner der USA in Europa; dort das alte Europa rund um Berlin und Paris, die vor einer direkten Konfrontation mit Moskau warnen. Die Fliehkräfte innerhalb der Union innerhalb Europas werden so deutlich.
Dass sich Moskau durch den von der Bush-Regierung noch vor dem Ende ihrer Amtszeit durchgepeitschten Schild provoziert sieht, das die Stationierung von Raketen 180 Kilometer von der russischen Grenze entfernt vorsieht, ist nachvollziehbar. Auch wenn die USA beteuern, das System richte sich gegen eine mögliche iranische Bedrohung.
Auch der georgische Präsident Michail Saakaschwili hat mit seinem Vorstoß nach Südossetien die Russen provoziert. Aber die Reaktion Russlands war unverhältnismäßig: wie wenn der russische Bär gegen die georgische Maus vorgeht. Vor allem waren die russi- schen Panzer ungewöhnlich schnell zur Stelle. Sie waren gut vorbereitet auf diese Militäraktion.
Das zeigt in der Praxis die Auswirkungen der Verdreifachung des Militärbudgets unter Präsident Wladimir Putin. Nicht nur in den ehemaligen Ostblockstaaten wird diese massive Aufrüstung als Bedrohung aufgefasst.
Aber die rollenden Panzer im Kaukasus können nicht mit jenen verglichen werden, die 1968 in der Tschechoslowakei eine Demokratiebewegung niederwalzten, selbst wenn dies Medien derzeit glauben machen wollen.
Denn die stetig steigen- den Rüstungsausgaben des Kreml waren für US-Präsident George W. Bush ein willkommenes Argument, sich ebenfalls mehr Mittel für das Militär vom Kongress bewilligen zu lassen. Dass der georgische Präsident den Angriff "nur mit Unterstützung und Ermutigung einer viel stärkeren Macht wagen" konnte, glaubt nicht nur Michail Gorbatschow. Saakaschwilis amerikanische Berater aus dem "Falken"-Lager hatten sicher ihre Finger im Spiel.
Die aufgeflackerte Angst vor einem neuen kalten Krieg nützt im US-Wahlkampf dem Republikaner John McCain, nicht dem außenpolitisch unerfahrenen Barack Obama. Es besteht die Hoffnung, dass nach der US-Wahl wieder Vernunft in den politischen Schaltzentralen der Großmächte einkehrt und die Spirale des Wettrüstens gestoppt wird. (Alexandra Föderl-Schmid /DER STANDARD, Printausgabe, 22.8.2008)