Colin Powells neue Asienreise spielt in einer Disziplin, in der die Regierung des Republikaners George W. Bush im Allgemeinen nicht brilliert: Verbündete finden. Ganz ähnlich wie in Europa hat die Hemdsärmeligkeit der amerikanischen Regierung auch in Fernost traditionelle Partner entfremdet. Japaner wie Südkoreaner beginnen in der Doppelkrise um Irak und Nordkorea an Washington zu zweifeln. Was ist die Politik der USA angesichts der atomaren Bedrohung durch Nordkorea? Wie dauerhaft ist Amerikas militärisches Engagement in Fernost? Doch eine Ausnahme gibt es: China ist in den vergangenen Monaten zu einem besonderen Verbündeten der USA geworden. Pekings Geschäftsformel ist bezeichnend für die Ära nach dem 11. September - Kooperation zum Minimalpreis.

US-Außenminister Powell will Chinas Diplomatie aktivieren. In der Koreakrise soll Peking seinen Einfluss auf Pjöngjang geltend machen, im UN-Sicherheitsrat eine zweite Irakresolution der Amerikaner und Briten schlucken. Es kostet Peking nicht viel, und Powell trifft auf ein komplett anderes Umfeld als vor dem 11. September: Von der Affäre um die US-Spionagemaschine im Frühjahr 2001 spricht niemand mehr; die offizielle nationale Sicherheitsstrategie der USA hat nicht länger China als langfristige Bedrohung für Amerika festgeschrieben, sondern den weltweiten Terrorismus.

China ist Partner und kalkuliert genau: Der drittgrößte Lieferant der USA mag im Zuge des Antiterrorkampfs geopolitisch an Einfluss verloren haben, weil US-Truppen in Zentralasien, beim einst engen Alliierten Pakistan und auf den Philippinen stehen, doch Peking übt Zurückhaltung gegenüber Washington. Denn nichts tun bringt auch Gewinn. 60 Prozent seines Ölbedarfs deckt China aus der Golfregion, es will nach einem Irakkrieg nicht schlechter dastehen als davor. Auf eine Stimmenthaltung im Sicherheitsrat kann sich Washington verlassen. (DER STANDARD, Printausgabe, 22/23.2.2003)