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José Eduardo dos Santos, Nachfolger von Staatsgründer Agostinho Neto, ist eines der dienstältesten Staatsoberhäupter Afrikas. Wenn 2009 ein neuer Präsident gewählt wird, kann er auf 30 Amtsjahre zurückblicken.

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Luanda, die Hauptstadt Angolas, zählt zu den teuersten Städten der Welt. Seit Jänner 2008 arbeitet man hier am höchsten Turm  Afrikas: das Bauwerk soll 325 Meter hoch werden und neben Luxuswohnungen und einem Luxushotel auch ein Krankenhaus, ein Einkaufszentrum und ein Kino beherbergen.

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Die Mehrheit der offiziell rund fünf Millionen Menschen Luandas lebt in Armut.

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Rund 47 Prozent der Bevölkerung Angolas haben keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Trinkwasser. (Zahl aus dem Jahr 2004)

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Straßenhändler in Luanda. Der informelle Sektor in Angola boomt. Die Ölbranche nimmt nur wenige einheimische Arbeiter auf. Ein Thema, mit dem die oppositionelle UNITA den Unmut der Angolaner gegen Ausländer kanalisieren will.

"Wer die Wahrheit sagt, der endet im Sarg", lautet eine Liedzeile des angolanischen Rappers Mc K. Für Arsénio Sebastião wurde dieser Text zur bitteren Wahrheit. Er hatte im November 2003 während der Arbeit nahe dem Präsidentenpalast ein Lied des regierungskritischen Hip-Hoppers gesungen, wie Augenzeugen berichten. Unter seinen Zuhörern waren auch Leibwächter des Präsidenten. Sie stürzten sich auf den Autowäscher und folterten ihn. Dann brachten sie ihn an die Küste, erstachen ihn und warfen seinen Körper ins Meer. Sebastião gilt seither als Symbol für die Ungerechtigkeit in dem Land. Bis heute wurde niemand für dieses Verbrechen zur Rechenschaft gezogen.

Zersplitterte Opposition

Der öffentliche Protest gegen soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit wächst in Angola nur langsam. Eine kleine Anzahl unabhängiger Medien sind Vorreiter in diesem Kampf. Denn die Opposition ist nach wie vor zerstritten, sie ist in mehr als 100 Parteien zersplittert. Bei den Ende dieser Woche stattfindenden Parlamentswahlen werden neun von ihnen gegen die Regierungspartei antreten.

Allerdings spielt das Parlament in Angola noch eine marginale Rolle. Die Macht im Staat hat der Präsident. Die Regierungspartei von José Eduardo dos Santos, die ehemalige marxistische MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola/Volksbewegung zur Befreiung Angolas) stellt mit 129 Abgeordneten gegenüber 70 von der UNITA (União Nacional para a Independência Total de Angola/Nationale Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas) und dem Rest der acht Oppositionsparteien die Mehrheit der 220 Mandatare.

Die ersten Wahlen seit Ende des Bürgerkriegs

Die Regierungspartei hatte nach der Unabhängigkeit von Portugal 1975 die Macht übernommen und sitzt seither fest im Sattel. Der angebliche Milliardär und Präsident dos Santos herrscht streng und verfügt über weitreichenden Einfluss im ganzen Land. Seine Regierung kontrolliert wichtige Teile der Medien und kann auf die Unterstützung der traditionellen Autoritäten vor allem auf dem Land zählen. Die Opposition hingegen klagt über Bestechung sowie Einschüchterung und Schikanen bei der Vorbereitung und Durchführung ihrer Wahlveranstaltungen.

Die Parlamentswahlen am Freitag sind zugleich auch die ersten Wahlen seit Ende des Bürgerkriegs vor sechs Jahren. Bis zu eine Million Menschenleben hat der 27 Jahre lange Krieg gekostet, Zehntausende sind verkrüppelt. Die meisten der 4,5 Millionen Vertriebenen sind mittlerweile wieder nach Angola zurückgekehrt. Allerdings hat sich das Land vom Bürgerkrieg noch lange nicht erholt – die Nachwehen des Kriegs sind nach wie vor im ganzen Land zu spüren: allen voran die zerstörte Infrastruktur. Außerdem hinterlässt der Bürgerkrieg ein Land voll von Landminen und Waffen.

Steigende Sozialausgaben

Dabei hat die Regierung seit Ende des Krieges 2002 einiges unternommen, um die Situation für die Menschen zu verbessern. Bemerkenswert ist dabei vor allem der Anstieg der Sozialausgaben am Staatshaushalt seit Ende des Bürgerkriegs von nur vier Prozent im Jahr 2005 auf 31 im laufenden Haushaltsjahr.

Überdies hat Präsident dos Santos versprochen, bis 2013 landesweit eine Million Sozialwohnungen zu bauen. "Seit 2002 wurde mehr als die Hälfte der durch den Bürgerkrieg zerstörten Straßen wieder in Stand gesetzt", wird der Vizepremier Aguinaldo Jaime nicht müde, die Errungenschaften seiner Partei beim Wiederaufbau zu loben. Auch neue Bahngleise wurden verlegt. "Denn die Infrastruktur ist eine der wichtigsten Voraussetzung für Landwirtschaft und Handel. Nur so kann sich der Reichtum über eine kleine Elite hinweg fortpflanzen", meint der Vizepremier.

Wirtschaftswachstum

Es scheint, es mangelt vor allem an Zeit. Wie Regierungskritiker betonen, gehen die Maßnahmen der Regierung zu langsam voran. Sie sei zu sehr mit sich selbst beschäftigt, so einer der Kritikpunkte. Denn Präsident dos Santos und seine regierende MPLA haben in den vergangenen Jahren Familienangehörige, Parteimitglieder und -sympathisanten mit den wichtigsten Ämtern in Politik und Wirtschaft versorgt. 2003 veröffentlichte die Wochenzeitung „Angolese Samanario" eine Liste der reichsten Angolaner: unter den ersten zwanzig waren damals zwölf aktive und fünf ehemalige Regierungsbeamte.

Wurde Ende der 1990er Jahre die Regierung noch wegen Korruption von Weltbank und Währungsfonds massiv kritisiert, lobt man sie heute für ihre Finanzpolitik: positive Zahlungsbilanz, Verringerung der Schulden und der Inflation. Und auch das Wirtschaftswachstum von 23 Prozent im vergangenen Jahr lässt die Herzen der Politiker höher schlagen.

Der Topf, aus dem die Elite schöpft, wird vor allem durch Erträge aus den üppigen Bodenschätzen gefüllt – allen voran Öl und Diamanten. Angola hat in der Erdölgewinnung mittlerweile Nigeria überflügelt. Rund 83 Prozent seiner Staateseinnahmen kommen aus dem Erdölsektor. Auch bei den Diamanten, die vor allem in der separatistischen Cabinda Provinz abgebaut werden. 2007 wurden Edelsteine im Wert von 1,3. Milliarden Dollar abgebaut.

Der Großteil der 16 Million Angolaner hat von diesen Entwicklungen kaum etwas. Denn Angola bleibt eines der am wenigsten entwickelten Länder Afrikas. Im UN-Index über die menschliche Entwicklung findet sich der große Ölexporteur unter 177 bewerteten Ländern gar in den letzten Reihen wieder. 2007 rutschte Angola sogar von Rang 160 auf Rang 162 ab und liegt hinter Ländern wie Simbabwe oder Tansania.

„Veränderungen passieren nicht über Nacht"

Rund zwei Drittel der Menschen lebt weiterhin unter der Armutsgrenze von zwei Dollar. Die Lebenserwartung liegt bei 40 Jahren, jedes vierte Kind stirbt vor seinem fünften Geburtstag. Fast die Hälfte der Bevölkerung hat keinen direkten Zugang zu Trinkwasser und Stromversorgung sowie zu einer medizinischen Grundversorgung.

Die Hoffnung der Mehrheit der Menschen auf einen Teil des Ölkuchens war bisher vergeblich. An einen politischen Wandel glaubt offenbar auch niemand so recht: Die Mehrheit der Bevölkerung werde am 5. September „Stabilität" wählen, sind sich Analysten einig. Das Trauma des Bürgerkriegs sei noch zu frisch, die Menschen seien mit ihrem täglichen Überleben beschäftigt, als dass sie sich auf politische Abenteuer einließen würden, heißt es weiter. Mc K hatte offenbar Recht, als er in einem Interview 2004 sagte: „Veränderungen passieren nicht über Nacht. Wie alles Große brauchen sie eine lange Zeit". (Christa Hager, derStandard.at, 4.9.2008)