Immer jünger, immer b'soffener, immer stärker besorgniserregend. Jedes Mal, wenn neue Daten zum Thema Jugendliche und Alkohol veröffentlicht werden, wallt die Komatrinker-Hysterie erneut auf. Dennoch sollte man das Ergebnis einer neuen EU-weiten Studie, laut der die Wiener Jugendlichen täglich eine Menge Alkohol konsumieren, die zwei Achteln Wein entspricht, vorsichtig bewerten.

Klar gibt es zwischen Reykjavík und Palermo genügend Burschen und Mädchen, die sich mit einem einzigen Ziel die Kante geben - möglichst schnell möglichst betrunken zu sein. Aber Umfragen, so seriös sie auch sind, in deren Rahmen 13- bis 16-Jährige in relativ kurzer Zeit einen Fragebogen ausgefüllt haben, müssen noch nicht unbedingt als besorgniserregend betrachtet werden. Und solange es keine konkreten Zahlen über das junge Phänomen des Komatrinkens gibt, steht die Frage im Raum, ob dieses Problem nicht überschätzt wird.

Dass Kinder fallweise mit zwölf Jahren das erste Mal Alkohol trinken, ist nicht neu.Ob das gut ist, sei dahingestellt. Faktum ist jedenfalls: Die Kids kommen früher in die Pubertät, sind körperlich und geistig meist reifer als frühere Generationen. So reif immerhin, dass sie mit 16 Jahren wählen dürfen. Und viele Politiker, die sich stets von jugendlichen Saufgelagen betroffen und alarmiert zeigen, ziehen im Wahlkampf gerne Runden schmeißend durch die Bierzelte. Oder lassen sich, wie der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider im vergangenen Dezember, bei 99-Cent-Partys mit Burschen in Diskotheken ablichten.

Eines sollte außerdem auch nicht vergessen werden: Österreich ist ein Land, in dem Alkohol ein Teil der Alltagskultur ist und in dem viele Erwachsene diesbezüglich nicht gerade ein leuchtendes Beispiel abgeben. Statt über die Kinder im Vollrausch zu jammern, müsste einmal Geld in die Hand genommen werden, um zu untersuchen, warum diese bis zum Filmriss trinken. Wenn die Jugendlichen mit dem Alkohol andere Probleme zuschütten, muss ihnen dringend geholfen werden. Wenn es sich um medial aufgebauschte erste Vollräusche handelt, ist wohl eher Gelassenheit angebracht. (Bettina Fernsebner-Kokert, Der Standard Print-Ausgabe, 27.08.2008)