Tripolis/Khartum - Die beiden Entführer eines sudanesischen Passagierflugzeugs haben sich am Mittwoch auf dem Flugplatz der libyschen Oase Al-Kafra ergeben. Die beiden Täter befänden sich in der Gewalt der Behörden, sagte ein libyscher Regierungsvertreter am Mittwoch in Kufra. Zuvor hatten sie bereits alle 87 Passagiere sowie zwei Flugbegleiterinnen freigelassen, sechs weitere Besatzungsmitglieder jedoch weiter festgehalten.

Die Entführer hatten die Boeing 737 der privaten sudanesischen Luftfahrtgesellschaft Sun Express am Dienstag auf einem Inlandsflug in die sudanesische Hauptstadt Khartum in ihre Gewalt gebracht. Die Männer, die nach Frankreich wollten, hatten nach Angaben der libyschen Behörden zunächst keine politischen Forderungen gestellt. Dies hätten sie erst in Frankreich tun wollen, hieß es weiter.

Pilot als Vermittler

Der Pilot der Maschine hatte dem Flughafendirektor von Al- Kafra am Dienstag per Funk eine Botschaft der Entführer übermittelt. Darin forderten sie, die Maschine solle aufgetankt werden. Sie verlangten, nach Frankreich geflogen zu werden. Anschließend entwickelte sich ein Dialog, in dessen Verlauf sich die Entführer zur Freilassung der Passagiere bereiterklärten. Als Vermittler fungierte der Pilot. Gelegentlich sprachen die Entführer auch direkt mit den Libyern.

Ein freigelassener Passagier sagte der staatlichen libyschen Nachrichtenagentur JANA: "Wir haben eine schreckliche Nacht in diesem Flugzeug verbracht. Alle hatten große Angst." Mehrere Passagiere waren wegen der Hitze und des Sauerstoffmangels an Bord ohnmächtig geworden, berichtete ein Mitarbeiter der libyschen Zivilluftfahrtbehörde.

"Sudanesischen Befreiungsbewegung"

Die Entführer gehören nach eigenen Angaben der "Sudanesischen Befreiungsbewegung" (SLM) unter Führung von Abdul Wahid Nour, einer Splittergruppe der "Sudanesischen Befreiungsarmee" (SLA), aus Darfur an. Nour, der im französischen Exil lebt, dementierte im arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera, dass die Entführer zu seiner Organisation gehörten. Nach libyschen Angaben waren unter den freigelassenen Passagieren fünf Lokalpolitiker aus Darfur, zwei ägyptische Polizeioffiziere, zwei Äthiopier und ein Ugandese.

In Darfur sind seit 2003 nach UNO-Schätzungen etwa 300.000 Menschen gewaltsam umgekommen. Dort terrorisieren regimetreue arabische Janjaweed-Reitermilizen die ansässige Bevölkerung. 2,5 Millionen Menschen wurden vertrieben, eine Viertelmillion flüchtete über die Grenze in das Nachbarland Tschad. Gegen den seit 1989 herrschenden sudanesischen Machthaber Omar al-Bashir hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, deswegen Haftbefehl wegen Völkermordes beantragt. Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi hatte die Konfliktparteien bereits mehrfach zu Friedensgesprächen nach Libyen eingeladen.

Ein Sprecher der größten Darfur-Widerstandsgruppe "Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit" (JEM) warf der sudanesischen Regierung vor, für die Entführung des Flugzeugs verantwortlich zu sein. Sie wolle auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von dem Angriff der Streitkräfte auf das Flüchtlingslager Kalma ablenken. Bei der Militäraktion in dem in der Nähe von Nyala gelegenen Lager wurden am Montag mindestens 33 Menschen getötet. (APA/dpa)