Zur Person
Andreas Filippi ist Professor an der Universität Basel und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Oralchirurgie und Stomatologie.

Er leitet in Basel eine erfolgreiche Mundgeruch-Sprechstunde und ist Herausgeber der Bücher "Frischer Atem" für Betroffene und "Halitosis" für Zahnärzte, die eine Mundgeruch-Sprechstunde in der eigenen Praxis aufbauen möchten.

Foto: privat

Filippi, Andreas
Frischer Atem
Ein Ratgeber zum Tabuthema Mundgeruch

Seiten: 32
Abbildungen: 31

Best.-Nr. 13870
ISBN 978-3-938947-31-9
Quintessenz Verlags GmbH, Berlin

Empfohlener PReis: € 6.00

Cover: Quintessenz Verlag

25 Prozent der Österreicher haben sozial inkompatiblen Mundgeruch zu bestimmten Tageszeiten. Sechs bis sieben Prozent leiden ständig darunter. An den Universitätskliniken für Zahnmedizin in Basel gibt es eine professionelle Mundgeruchsprechstunde. Zurecht, meint deren Leiter Professor Andreas Filippi, da viele mit ihrem Problem noch immer bei der Magenspiegelung landen und damit in eine medizinische Spirale ohne Hilfe rutschen. In über 90 Prozent der Fälle, so der Experte im Interview mit Andrea Niemann kann die Halitosis (Mundgeruch) vom Zahnarzt erfolgreich behandelt werden.

derStandard.at: Halitosis ist ein gesellschaftliches Tabuthema, wie kann man einem Kollegen oder Freund am besten ein Mundgeruchproblem erklären?

Filippi: Tatsache ist, es muss Betroffenen gesagt werden. Das ist sowohl im privaten, als auch im beruflichen Bereich heikel. Denn man muss darauf achten, den anderen nicht bloß zu stellen und gleichzeitig trotzdem das Problem klar anzusprechen. Die Psychologen in unserem Team haben uns geraten, den Satz auf sich zu beziehen. Unter dem Motto: Es fällt mir zwar etwas schwer aber ich will es dir sagen, da ich in derselben Situation froh wäre, wenn mich jemand darauf aufmerksam machen würde... Das kommt gut an. Eigentlich sollte das aber im Profibereich, das heißt in der Zahnarztpraxis passieren.

derStandard.at: Ihrer Meinung nach wäre also der Zahnarzt der Ansprechpartner und Experte bei Mundgeruch?

Filippi: Zahnärzte haben massive Hemmungen Mundgeruch anzusprechen, aber es gibt überhaupt keinen logischen Grund dafür. Der Zahnarzt muss lernen über etwas zu reden, das er dummerweise nicht an der Universität gelernt hat. Das ist ein notwendiger Erziehungsprozess, weil in unserer Gesellschaft Mundgeruch ein absolutes „no-no" ist. Bisher war es üblich bei Mundgeruch eine Magenspiegelung machen zu lassen. Das führt aber in den meisten Fällen zu nichts, da üblichwerweise die Ursache in der Mundhöhle zu finden ist. Mittlerweile gibt es glücklicherweise immer mehr Mundgeruch-Sprechstunden bei Zahnärzten.

derStandard.at: Welche Formen der Halitosis unterscheidet der Experte?

Filippi: Es gibt zwei große Gruppen: Die diagnostizierbare und wahrnehmbare Halitosis, die sich in die physiologischen und pathologischen Mundgeruch unterteilen und auf der anderen Seite den psychisch bedingten Mundgeruch. Hier wird zwischen Pseudohalitosis und Halitophobie unterschieden. Das ist jener Mundgeruch, der objektiv nicht da ist, der Patient aber davon überzeugt ist einen unerträglichen Mundgeruch zu haben.

derStandard.at: Ist Mundgeruch ein ernst zu nehmendes medizinisches Problem?

Filippi: Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Es gibt medizinische Erkrankungen, die sich am Mundgeruch diagnostizieren lassen. Das heißt aber nicht, dass jeder Mensch mit Mundgeruch an einer allgemeinmedizinischen Erkrankung leidet. Das muss man klar trennen. Allerdings gibt es Kliniken in den USA, die Atemluftuntersuchungen durchführen, um Stoffwechselstörungen der Nieren, der Leber und der Lunge ohne Blutbild und ohne CT erkennen zu können.

derStandard.at: Wie kann übel riechende Atemluft gemessen werden?

Filippi: Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder mittel Gaschromatographen, die es als handliche Tischgeräte gibt. Diese sind in der Lage die einzelnen flüchtigen Schwefelverbindungen zu messen. Oder mit den so genannten Sulfidmonitoren, die die Gesamtsumme der flüchtigen Schwefelverbindungen in der Luft darstellen.

derStandard.at: Welche flüchtigen Schwefelverbindungen gelten als Parameter für Mundgeruch?

Filippi: Das sind vor allem drei große Verbindungen, die da ins Spiel kommen: Schwefelwasserstoff, Methylmercaptan und Dimethylsulfid.

derStandard.at: Wann kommen diese Geräte zum Einsatz?

Filippi: Menschen die Mundgeruch haben sind nicht in der Lage diesen selbst wahrzunehmen. Jeder andere nimmt ihn wahr, der Betroffene selbst nicht. Wenn dieser Patient in die Mundgeruchsprechstunde kommt, der Arzt ein Therapiekonzept empfiehlt und er nach zwei Wochen wieder kommt, dann kann der Betroffene anhand der ausgedruckten Messergebnisse sehen, ob objektiv eine Besserung eingetreten ist, oder nicht. Denn selbst riechen kann er das ja nicht.

derStandard.at: Wo sind die Ursachen eines pathologischen Mundgeruchs zu finden?

Filippi: Am häufigsten findet man die Ursachen in der Mundhöhle und dort auf der Zunge. Dort befinden sich die meisten Bakterien im Mund. Die zweithäufigste Ursache sind Zahnfleischerkrankungen, die unter Parodontose bekannt sind. In den tiefen Taschen sitzen Bakterien, die Mundgeruch erzeugen können. Und dann gibt es in der Mundhöhle noch viele andere Ursachen, die prozentual seltener sind, wie Zungenpiercings, Karies oder ungepflegte Zahnprothesen.

derStandard.at: Mundgeruch wird auch mit Stress in Zusammenhang gebracht.

Filippi: Auch psychische Ursachen sind möglich. Häufig wird bei Stress zu wenig Speichel produziert. Es entsteht eine Trockenheit im Mund, die zum Mundgeruch führt. Auch viele Medikamente haben als Nebenwirkung eine Reduktion der Speichelfliessrate: der Mund wird trockener, es wird weniger verdünnt und geschluckt, es entsteht mehr Mundgeruch.

derStandard.at: Das heißt man kann tatsächlich sagen, dass zuwenig Mundhygiene die Hauptursache von Mundgeruch darstellt?

Filippi: Nein, die häufigste Ursache ist ein starker Zungenbelag. Das würde ich nicht als fehlende Pflege bezeichnen, da es in den westlichen Industriestaaten nicht etabliert ist, die Zunge mit den Zähnen zusammen zu reinigen. Das kommt aber jetzt.

derStandard.at: Ist aus ihrer Sicht eine tägliche Zungenpflege empfehlenswert?

Filippi: Auf jeden Fall, aber nicht aus Gründen des Mundgeruchs. 60 bis 80 Prozent der Bakterien im Mund sitzen auf der Zunge. Sowohl Karies, als auch Zahnfleischerkrankungen sind bakterielle Erkrankungen. Bei einer guten Zungenreinigung kann man diese Bakterien massiv reduzieren. Dadurch müsste deutlich weniger Karies entstehen und auch ein Rückgang der Zahnfleischerkrankungen wäre zu erwarten. Das ist in der Prophylaxe ein extrem spannendes Thema für alle, die Wert auf die Mundhygiene legen.

derStandard.at: Wie kann man Mundgeruch am besten vorbeugen?

Filippi: Das ist schwer, pauschal zu beantworten. Hier nur ein paar von unzähligen Empfehlungen: Gute Mundhygiene inklusive Zungenreinigung betreiben, Wasser statt Kaffee trinken, sich gesund, das heisst ballaststoffreich ernähren, nicht eine oder zwei große Mahlzeiten am Tag sonder lieber fünf kleine und regelmässige Zahnarztkontrollen - idealerweise zweimal pro Jahr. Es gäbe dazu noch mehr zu sagen. Deshalb gibt es zum Thema  auch eine Broschüre von mir.