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Der frühere internationale Beauftragte für Bosnien-Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling im taz-Interview: "Es ist die historische Tragödie Europas, dass Aufgaben auf uns zugekommen sind, zu deren Lösung wir noch nicht bereit sind."

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Berlin - Der frühere internationale Beauftragte für Bosnien-Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling, vermisst auf dem Balkan eine "Reeducation", eine Umerziehung, wie sie "in Deutschland nach 1945 selbstverständlich angewandt wurde". Man müsse verhindern, dass "die Konflikte in Zukunft wieder ausbrechen, weil die Jugend nichts anderes lernt", unterstrich der ehemalige deutsche Postminister in einem Interview mit der in Berlin herausgegebenen "tageszeitung" (taz) (Donnerstag-Ausgabe). "Für viele Probleme des Balkans fühlt sich die EU nicht zuständig. Deshalb sind neue tragische Konflikte vorgezeichnet". Es sei "die historische Tragödie Europas, dass Aufgaben auf uns zugekommen sind, zu deren Lösung wir noch nicht bereit sind", sagte er.

Die Europäische Union müsse für die Balkan-Region einen neuen Weg für den Beitritt vorgeben, der sich von dem anderer Länder unterscheidet, forderte Schwarz-Schilling. "Hier gab es schließlich einen Völkermord. Da kann man nicht einfach mit der Abarbeitung eines Paragrafenwerkes daherkommen und denken, das sei schon in Ordnung."

Kaukasus-Konflikt positiv für den Balkan

Der gegenwärtige russisch-georgische Konflikt werde zunächst positive Rückwirkungen auf den Balkan haben, meint Schwarz-Schilling. "Die Welt ist jetzt aufgerüttelt, vor allem in Ostmitteleuropa wurden nach dem Einmarsch der russischen Truppen in Georgien Erinnerungen wach. Und weil Russland im letzten Jahr auch bei der Kosovo-Frage Probleme bereitete, schaut die Öffentlichkeit jetzt besser hin."

Skeptisch zeigte er sich hinsichtlich einer georgischen NATO-Mitgliedschaft: "Man kann nicht jedes Land, das Sicherheit braucht, in die NATO aufnehmen. Man hätte sofort nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Konstruktion finden müssen, die das Sicherheitsbedürfnis der Nachbarländer Russlands befriedigt hätte. Die Frage ist, ob ein Land nur schutzbedürftig ist oder schon reif für die Mitgliedschaft. Das sind zwei Dinge, die man leider vermixt hat. Der Westen hat es also versäumt, diesen Ländern zu helfen, ohne gleich die Mitgliedschaft anzubieten." (APA)