Kollission von Alt und Neu: Unmissverständlich treffen hier unterschiedliche Epochen aufeinander.

Foto: Architekten

Architekt Georg Petrovic: "Ich wollte dem Bestand etwas Unverwechselbares hinzufügen, damit das Innere mit dem Außenraum in Kontakt treten kann."

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Ein fast quadratisches Haus aus der Jahrhundertwende mit dicken Mauern und hohen Räumen. Leicht erhoben, mit einem Krüppelwalmdach als Haube, steht es auf einem zwickelförmigen Grundstück in Bad Vöslau. Im Osten zieht die Straße vorbei, im Westen breitet sich der Garten aus.

Für den Bauherrn war es Liebe auf den ersten Blick. Als er im ersten Stock stand und aus dem Fenster blickte, sah er den Damm der Hochquellwasserleitung. Erinnerungen an seine Heimat Holland wurden wach – der Kauf war damit besiegelt.

Doch der Bestand war in schlechtem Zustand. Vom teilunterkellerten Streifenfundament stieg Feuchtigkeit auf, die Zimmer waren abgewohnt, klein und finster. Zudem gab es auf der Nord- und auf der Westseite kaum Fenster, weder Vordach noch Windfang. Über eine harsche Betontreppe fiel man mit der Tür ins Haus. Links vier Kammern an der Mittelmauer, rechts die Treppe, dahinter ein großer, schöner Raum, der als Durchgangszimmer für die anderen herhalten musste. Im Stock darüber war die Lage nicht besser.

Potenzial im ersten Stock

Der Bauherr wollte trockenen Fußes eintreten und im Niedrigenergiestandard wohnen. Außerdem brauchte er ein Büro. Also wandte er sich an Architekt Georg Petrovic. Der sah gleich, was fehlte: Sonne musste herein. "Das Haus war ein archaischer, alles überragender Würfel, das Untergeschoß war extrem finster. Ich wollte dem Bestand etwas Unverwechselbares hinzufügen, damit das Innere mit dem Außenraum in Kontakt treten kann." Die beste Möglichkeit dafür bot der erste Stock, wo im Westen der barocke Kirchturm der Ortschaft Gainfarn über die Gärten ragt.

Dieser Blick musste unbedingt ins Wohnzimmer. Eine ordentliche Prise Südsonne konnte ihm schließlich nicht schaden. Nicht nur ein paar Zwischenwände wurden entfernt, auch ein großes Stück Außenmauer wurde weggebrochen. Eine Stahlstütze am Eck hält nun die Stellung, davor stülpt sich der neue transparente Holzleichtbau aus der Wand.

"Die Aussicht ist immer wunderbar"

Von fern wirkt das Haus wie eine schwarzer, schimmernder Stein im Garten. Seitlich wächst ihm ein Kristall heraus. Sonne, Himmel und Kirchturm fallen durch ihn ins Wohnzimmer. "Wir liegen gern mit den Kindern auf dem Boden und schauen den Flugzeugen nach", erzählt die Baufrau, "egal, wie garstig das Wetter draußen ist – die Aussicht ist immer wunderbar." Der Bauherr steht derweil am Essplatz in der Küche und sieht auf den Damm hinaus. Der könnte auch in den Niederlanden sein.

Im Norden dockt ein Zubau an. Auf einer langen Rampe gleitet man an Alulamellen entlang zum Vorraum. Ein paar Wände wurden verschoben und gaben den Räumen eine ausgewogene Proportion. Eine weiße Schrankwand dient als Garderobe, durch die Hintertür kann man in den Garten schlüpfen.

Das Büro liegt an der Grundgrenze im Süden. Weit kragt das Vordach über den Parkplatz. Wilder Wein schlingt sich um die Holzträme, auf denen die Solarzellen für das Warmwasser sitzen. Hinter einer raumhohen Glasfassade steht der Schreibtisch des Bauherrn in der Auslage. Und noch einmal: "Ich bin Holländer. Ich hasse Vorhänge. Ich wollte alles offen haben." (Isabella Marboe, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24.8.2008)