Cité Verticale, Carrières Centrales, Casablanca Architekten, 1953.

Foto: Columbia University, New York

Ab den 1930er-Jahren fungierte das koloniale Nordafrika als Experimentierfeld für die europäischen Modernisierungsfantasien. Den Architekten diente vor allem Casablanca als Testfall für die "Stadt von morgen". Die Ausstellung "In der Wüste der Moderne" geht den bis heute sichtbaren Auswirkungen nach.

Das von Marion von Osten konzipierte Ausstellungsprojekt "In der Wüste der Moderne" stellt Architekturen und urbanistische Konzepte vor, die während der kolonialen Verwaltung, aber auch im Kontext der lokalen Befreiungskämpfe und transnationalen Migration entstanden sind. Präsentiert werden Bauprojekte der 1950er- und 1960er-Jahre, die aufzeigen sollen, dass die europäische Moderne ohne Kolonialismus nicht realisierbar gewesen wäre.

Neben den neuesten Forschungen, in denen der Labor-Status Casablancas deutlich wird, werden auch bislang wenig bekannte Wechselwirkungen aufgezeigt: Zum Beispiel dass die moderne Massenbauweise, die man in Nordafrika erprobte, später wieder an die Stadtränder Westeuropas zurückwanderte. Dort entstanden dann die Vorstädte für Hunderttausende, wobei die Bewohner der riesigen Wohnsiedlungen rund um Paris oder London oftmals aus den ehemaligen Kolonien kamen.

Einerseits kehrt die koloniale Geschichte damit heim in die Metropolen; andererseits wurden die Architekten der europäischen Moderne durch den Aufenthalt im Nordafrika der Befreiungsbewegungen in ihren Gewissheiten auch verunsichert und begannen aufbauend auf ihren Erfahrungen vor Ort teilweise auch in Kategorien einer "anderen Moderne" zu denken. Die Ausstellung bezieht mit ihren alternativen Ansätzen auch die unterschiedlichen Prozesse der Dekolonialisierung mit ein und ergänzt das Projekt zudem mit einer internationalen Konferenz sowie einer Filmschau, in der selten gezeigte Filme aus Archiven in Paris, Rabat und Berlin zu sehen sein werden. (cb / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.8.2008)