Wo sich die Karpaten Richtung Ukraine und Rumänien schlängeln, gibt es viel Natur und durchwegs recht schlichte Lebensweise.

Foto: Bruckner

Eine Hauptstraße, ein Bahnhof, ein paar Wirtshäuser, ein Einkaufszentrum in dessen Nachbarschaft Händler ihre Waren feilbieten, ein Hotel und ein Museumsdorf in Miniaturausgabe, das ist Medzilaborce. Rund 10 Kilometer südlich der Grenze zu Polen (Grenzübergang Radoszyce-Palota) liegt die Stadt im Gebiet der Niederen Beskiden.

Die Region zählt zu den ärmsten im Land. Seit langer Zeit leben hier die Ruthenen - eine Minderheit, deren Sprache auf dem Gebiet der Slowakei nahe mit dem Ukrainischen verwandt ist, aber auch Ähnlichkeiten mit dem Slowakischen und Polnischen aufweist. Die Stadt hat heute etwa 6700 Einwohner, davon nach der Volkszählung die meisten Slowaken, 20 Prozent Ruthenen, Ukrainer und Vertreter der Roma-Minderheit. Medzilaborce Stadt gehört zum gleichnamigen Bezirk.

Strukturschwache Region

Schlichte Bauerndörfer, Storchennester, Gänseherden, weidende Ziegen im Hausgärtchen, Pferdefuhrwerke auf der Straße, unregulierte Flüsse, weite Wälder - der Tourist weiß solches als Urtümlichkeit zu schätzen, oder sieht sich in eine vergangene Zeit zurückversetzt. Während in der slowakischen Hauptstadt Bratislava de facto Vollbeschäftigung herrscht, sind im Osten der Slowakei bis zu 30 Prozent ohne Job. Hier, wo viele Roma in Slum-ähnlichen Siedlungen leben, fehlt es an vielem, zum Beispiel an einer Autobahn, die die strukturschwache Region an den Westen des Landes anbinden könnte. Wer kann, pendelt für einen Job in die Hauptstadt.

Als die Regierung vor Jahren begann, die Sozialleistungen zu kürzen, kam es im ostslowakischen Košice - der größten Stadt der Region - unter den Roma zu gewalttätigen Aufständen - in ihren Dörfern liegt die Arbeitslosigkeit zuweilen bei fast 100 Prozent. Annähernd eine halbe Million Roma leben in der Slowakei, die meisten davon im Osten des Landes. Etwa 120.000 Roma wohnen in Ghettos ohne Kanalisation oder, weitab von Dörfern, in desolaten slumartigen Siedlungen ohne Wasser und Strom. Nur etwa 80.000 Roma scheinen in der offiziellen Volkszählung auf.

Die Ostslowakei (slowakisch vychodne Slovensko) ist den Österreichern vermutlich auch insofern ein Begriff, als der Flughafen Wien den Airport Košice übernommen hat. Verkehrstechnisch bedeutet die Reise in den Osten des Landes einige Stunden mehr als die Kilometerzahl vermuten lassen würde. Das wird auch so bleiben, solange die Lücken im Autobahnnetz nicht geschlossen werden. Auch der Tourismus kommt durch die langen Verkehrswege nur langsam in Schwung. Dafür werden hier die Ankömmlinge durchwegs freundlich empfangen, von professionellem Angebot ist man aber weit entfernt.

Sehenswerte Sakralbaukunst

Wo sich die Karpaten Richtung Ukraine und Rumänien schlängeln, gibt es nicht nur viel Natur. So besichtigt der interessierte Gast zahlreiche romantische Holzkirchen, Juwele der volkstümlichen Sakralbaukunst. Eine Besonderheit war die Bauweise: alle Teile mussten aus Holz sein und bei der Errichtung durfte nicht ein einziger Nagel verwendet werden. Historischen Quellen zufolge hat es in der Slowakei über 300 Holzkirchen gegeben, in denen sich Stilelemente der westlichen, vor allem der römisch-katholischen Tradition und der östlichen, byzantinischen Kultur kreuzten. Heute gibt es noch an die 50 sakrale Baudenkmäler, die aus dem 16. bis 18. Jahrhundert stammen.

Dem slowakischen Boden entströmen daneben auch mehr als 1300 mineralhaltige Quellen, die zum einen 35 Thermalbäder versorgen und zum anderen immerhin 16 Gemeinden zum Status Heilbad verholfen haben. Wer eine Reise in diesen Zipfel des Landes antritt, könnte ein Intermezzo im gesunden Quell in Erwägung ziehen. In einem malerischen Tal des Gebirges Nizke Beskydy (Niedere Beskyden), liegt der Kurort Bardejovskè Kùpele mitten im satten Grün. Zahlreiche Adelige, darunter Kaiserin Sisi pflegten hier zu kuren. Das Hotel, in dem die Kaiserin nächtigte, wurde ihr zu Ehren in Hotel Elisabeth umbenannt. Offensichtlich war die Monarchin mit der Kur zufrieden, denn sie schenkte dem Bürgermeister der Stadt den Ring, den sie am Finger trug. (rb, 15.9.2008)