Washington - Wenige Monate vor dem Ende von US-Präsident George W. Bushs Amtszeit steht seine Republikanische Partei am Scheideweg. Die Republikaner, die in dieser Woche John McCain auf dem Wahlparteitag in St. Paul zu ihrem Präsidentschaftskandidaten küren wollten, sind gegenüber dem letzten Parteitag vor vier Jahren kaum wiederzuerkennen. Selbst ein Sieg McCains gegen den Demokraten Barack Obama bei der Präsidentenwahl am 4. November würde die Probleme und den Richtungsstreit der Partei nicht lösen und allenfalls kurzfristig wirken.

Vor vier Jahren kamen die Delegierten voller Zuversicht nach New York und nominierten Bush für eine zweite Amtszeit. Der Präsident sicherte sich mit einem Sieg über den Demokraten John Kerry anschließend den Wiedereinzug ins Weiße Haus. Im Repräsentantenhaus und im Senat bauten die Republikaner 2004 ihre Mehrheit aus. Und die Demokraten fragten sich verzweifelt, wie lange es noch dauern wird, bis sie wieder die Mehrheit im Kongress zurückerobern.

Teilprivatisierung

Die Republikaner befürworteten drastische Steuersenkungen, eine Teilprivatisierung der sozialen Sicherungssysteme und energische Maßnahmen zu Hause und im Ausland im Kampf gegen den Terrorismus. Und die Demokraten schienen nicht zu wissen, wofür sie standen.

Heute scheint es, als hätten die Republikaner ihre Identität verloren. Bushs Popularitätswerte sind im Keller, die Kongresswahl vor zwei Jahren ging verloren. Auch bei den Wahlen in diesem Jahr rechnen die Republikaner mit weiteren Mandatsverlusten im Kongress.

Und jetzt dreht sich auch der Wind gegen die Republikaner: Wegen des Hurrikans "Gustav" wurde der Auftakt des Parteitags am (heutigen) Montag stark verkürzt, Bush und dessen Vize Dick Cheney sagten ihre Reden ab, und auch in den kommenden Tagen wollen die Wahlkampfmanager den Verlauf des Parteitags von "Gustav" abhängig machen.

Eine herbe Niederlage erwartet

In den meisten Umfragen liegt auch ihr Präsidentschaftskandidat McCain hinter seinem demokratischen Rivalen Barack Obama zurück, auch wenn er zuletzt beträchtlich aufschließen konnte. Außerdem scheinen die Demokraten ihre Wähler und Spender besser mobilisieren zu können als die Republikaner.

"Für die Republikaner wird es noch schlimmer kommen, ehe es wieder aufwärts geht", befürchtet Richard Armey, ein früherer Fraktionsvorsitzender der Partei im US-Repräsentantenhaus. "Ich glaube, sie werden bei den Wahlen im Herbst eine herbe Niederlage erleiden", sagt Armey, der 1994 die "Republikanische Revolution" mit in die Wege leitete, die der Partei nach 40 Jahren wieder die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer bescherte.

Parteistratege

Führende Republikaner sagen in Interviews, dass die Partei die Orientierung verloren habe. Aber es zeichnet sich kein Konsens darüber ab, wie das Problem gelöst werden kann. "Ich glaube, die Republikanische Partei befindet sich mitten in einem schmerzlichen, aber wichtigen Übergang von der Reagan-Bush-Ära zu etwas Neuem", sagt Ralph Reed, ein Parteistratege und früherer Direktor der Christian Coalition.

Auch wenn noch keine Lösungen in Sicht sind, sind sich führende Republikaner doch weitgehend darin einig, was falsch gelaufen ist. Die meisten beginnen dabei mit den Staatsfinanzen. Die Wähler hätten registriert, dass unter einer republikanischen Regierung die Ausgaben und das Haushaltsdefizit explosionsartig angewachsen seien.

Problem der Republikaner

"Ich muss zugeben, dass einige meiner Kollegen in diesem Punkt vom Weg abgekommen sind", räumt der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, ein. "Es ist wichtig, dass die Partei wieder zu ihren Prinzipien steht, wenn wir aus der Krise herauskommen wollen."

"Das Problem der Republikaner liegt darin, dass sie eine Philosophie eines in seinen Aufgaben begrenzten Staates haben und dies auch ständig propagieren", sagt der Politikwissenschaftler Merle Black von der Universität Emory. Wenn sie aber regierten, falle es ihnen sehr schwer, an dieser Philosophie festzuhalten.

Streitpunkt Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehen

Auch in anderen Bereichen gibt es Probleme: Jahrelang holten gesellschaftspolitisch äußerst konservativ eingestellte Gruppen vor allem aus dem Bereich der religiösen Rechten Stimmen für die Partei und waren die treibende Kraft im Widerstand gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehen. Vielen gemäßigten Wählern geht dies mittlerweile zu weit.

Die gesellschaftspolitisch Konservativen spielen immer noch eine bedeutende Rolle in der Partei - die Nominierung von McCains Vizekandidatin Sarah Palin zollt dem Tribut. Aber "diese Gruppen liefern keine Mehrheiten mehr ab", wie der Abgeordnete Tom Davis aus Virginia sagt, der als anerkannter Stratege in der Partei gilt. "Sie sind zu intolerant gegenüber anderen Gruppen."

"Wachstumspolitik"

"Die Republikanische Partei wird einen spannenden Kampf um ihre Identität führen, sagt der republikanische Meinungsforscher Whit Ayres. "Es wird einen Wettstreit geben zwischen den sozial Konservativen und den liberaleren Kräften in der Partei, und zwischen den finanzpolitisch Konservativen und den Gruppierungen, die für eine Wachstumspolitik eintreten."

Newt Gingrich, der frühere Parlamentspräsident und Initiator der konservativen Revolution in den 90er Jahren, fordert, die Republikaner müssten sich als eine breite Mitte-Rechts-Partei neu ausrichten, die die Ziele der Amerikaner in einer Zeit steigender Kosten für Energie, Gesundheit und andere Bedürfnisse verwirklicht. (Von Charles Babington/AP)