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36.000 Soldaten sollen die Polizei im Kampf gegen Drogenkartelle unterstützen.

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Demonstranten fordern mehr Einsatz von Felipe Calderón und die härtere Bestrafung korrupter Polizisten.

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Mehr als 150.000 demonstrierten am Wochenende gegen die zunehmende Zahl an Morden und Entführungen in Mexiko.

„Genug ist genug." Weiß gekleidet und Kerzen in Händen haltend demonstrierten am Wochenende mehr als 150.000 Menschen in Mexiko-City und in einigen Städten im Norden gegen die zunehmende Kriminalität in ihrem Land. Mehr als 2.700 Menschen sind seit Jahresbeginn im Drogenkrieg ums Leben gekommen. Die Zahl der Entführungen ist zwischen 2004 und 2007 um 40 Prozent gestiegen. Allein im vergangenen Jahr gab es nach Angaben der Polizei 751 Fälle - ungefähr gleich viel wie in Kolumbien oder im Irak. 

Auslöser für die Massendemonstrationen war die Entführung eines 14-Jährigen. Das Opfer war der Sohn eines bekannten Geschäftsmannes. Das Kind wurde ermordet, obwohl der Vater das geforderte Lösegeld bezahlt hatte. Die Leiche wurde in einem Kofferraum gefunden.

Keine Wochen vergeht ohne Meldungen über Menschen, die in Mexiko erschossen, enthauptet und gefoltert werden. Bereits bei seinem Amtsantritt 2006 versprach Mexikos Präsident Felipe Calderón hart gegen Drogenkartelle vorzugehen. Bisher mit wenig Erfolg. Einen erneuten Anlauf unternahm Calderon vor wenigen Wochen: Die Regierung will in Zukunft besser mit den regionalen Regierungen und wichtigen gesellschaftlichen Organisationen zusammenarbeiten. Außerdem sollen die Gesetze gegen Geldwäsche verschärft werden, die Polizei die Möglichkeit haben, die Mobiltelefone von Entführten zu orten und die Polizei besser auf schwarze Schafe überprüft werden. Noch während die Tinte auf dem Vertrag trocknete, wurden landesweit sieben Polizisten ermordet.

Gewaltspirale dreht sich schneller

Zur Bekämpfung der Drogenmafia hat die mexikanische Regierung 36.000 Soldaten im ganzen Land stationiert. Sie sollen die Aufgaben der zum Teil korrupten Polzei übernehmen. Der Einsatz des Militärs gegen die Drogenkartelle führt aber auch dazu, dass sich die Gewaltspirale schneller zu drehen beginnt. Nach der Ausschaltung eines Kartells kämpfen die verbliebenen Vereinigungen um die Besetzung der entstandenen Lücke. Die Konfliktlinien verlaufen nicht nur zwischen dem Staat und den Drogenkartellen, sondern auch zwischen den Kartellen.

Für sie geht es um viel Geld. Mittlerweile haben die Mexikaner ihre kolumbianische Konkurrenz im wichtigen US-Markt verdrängt und übernehmen mehr und mehr deren Drogen-Verteilungsnetze in den Südstaaten. Jedes Kartell kämpft verbissen für seinen Teil des größeren Kuchens.

Polizei mit Kartellen verwachsen

Der Kampf gegen den Drogenhandel ist auch deswegen kaum zu gewinnen, weil der Polizeiapparat des Landes zum Teil mit den Kartellen verwachsen und von ihnen unterwandert ist. „Da werden Schutzgelder geteilt, und auch andere finanzielle Anreize geboten", erklärt Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Die Schwierigkeit besteht darin, diese Allianz wieder aufzubrechen und die Staatstreue der Polizei wieder herzustellen.


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Die USA hat den Kampf gegen Drogen zu einem Thema der nationalen Sicherheit erklärt. Ihre Gegenstrategie ist in den Anbaugebieten tätig zu werden und die Transportrouten zu kontrollieren. Erfolgreich war die USA besonders, was die Kontrolle des Drogentransports über die Karibik betrifft. Weil aber die Nachfrage nach Drogen in den USA nicht abgenommen hat, bedeutet die Schließung eines Weges die verstärkte Nutzung einer anderen Transportroute: In diesem Fall die über Zentralamerika. Die USA wollen Mexiko deshalb im Kampf gegen die Drogenkartelle unterstützen. Allein für 2008 stellte Amerika 450 Millionen US-Dollar für die Verbesserung der Ausstattung der mexikanischen Polizei und des Geheimdienstes zur Verfügung.

Druck aus den USA

Die mexikanische Regierung gerät also von zwei Seiten unter Druck. Zum einen von den USA, mit ihrer Forderung die Transportrouten zu unterbrechen. Zum zweiten verlangt auch die eigene Bevölkerung, dass der Staat in der Lage sein muss, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten. Als positives Beispiel im Kampf gegen Drogenkartelle wird immer wieder Kolumbien genannt. Dort waren massiver Einsatz von Militär und Nachrichtendienst Bestandteil des Erfolgrezeptes. „Auch Mexiko wird nicht um repressive Maßnahmen herumkommen", sagt Maihold. Entscheidend wird aber sein, den Einflussbereich der Kartelle zu reduzieren und ob es gelingt eine staatstreue Polizei aufzubauen.

Solange aber der Drogenkonsum in den USA und Europa nicht legalisiert wird, oder die Nachfrage abnimmt, bleibt Drogenschmuggel und -handel eine lukrative Einkommensquelle. Maihold: „Man kann im Kampf gegen Drogen nicht nur auf die Bereiche Anbau und Transport setzten. Es muss auch in den Konsumgesellschaften etwas getan werden." (mka, derStandard.at, 1.9.2008)