Die "schwammige" SPÖ-Haltung zum Fremdenrecht könnte für die Partei zum Wahlproblem werden. Vorschläge für eine Kurs-korrektur auf Basis einer weitgehend an Eigen-interessen orientierten Einwanderungspolitik – von Karl Newole

Die Sache mit den Fremden ist, bei Lichte betrachtet, keine Sicherheits-, sondern in erster Linie eine soziale Frage. Gegen einen Volvo fahrenden Schweden und eine elegante Französin hat ja des Volkes Stimme nichts einzuwenden. Reibungspunkte ergeben sich dort, wo schlecht ausgebildete und schlecht verdienende Inländer mit Ausländern konfrontiert sind, die es noch billiger machen. Wenn die dann auch noch günstigen Wohnraum beanspruchen und im Gemeindebau einziehen, entsteht ein Gefühl existenzieller Bedrohung. Und wenn es dann auch noch Mohammedaner sind, ist der Weg zu FPÖ und BZÖ nicht mehr weit.

Bei der Frage, was man dagegen unternehmen kann, ist es meines Erachtens zuallererst wichtig, das Ganze einmal als real begründetes und sachlich fundiertes Problem zu erkennen, das ist schon die halbe Lösung. Das tun aber viele nicht. Die Multikulti-Linie der Grünen etwa ist, bei aller Sympathie, nicht zielführend. Der typische ausländerfreundliche Grün-Wähler hat allerdings auch wenig Verdrängungssorgen, stammt aus dem bürgerlichen und städtischen Intellektuellenmilieu und schickt die Kinder in eine katholische Privatschule. Aus meiner Zeit im Innenministerium weiß ich, dass die Liberalsten gegenüber Ausländern immer die Grünen und die Caritas waren. Die Hardliner waren immer die Freiheitlichen und die Gewerkschaft.

Und die Linie der SPÖ? Die ist teils schwammig, teils widersprüchlich. Das ist ein Problem, das die Partei bewältigen müsste, wenn sie bei diesem Thema nicht an die Rechtspopulisten Stimmen verlieren will. Einerseits möchte sie, zu Recht, liberal sein. Andererseits weiß sie, dass gerade die Arbeiterschaft in Favoriten und in anderen Ballungszentren am direktesten von diesen Fragen betroffen ist.

Dabei wäre es doch gar nicht so kompliziert: Man kann sich schon um wenige Euro einen Immigrationsratgeber für die klassischen Einwanderungsländer dieser Welt kaufen. Die Vereinigten Staaten, Kanada und Australien haben diesbezüglich jahrhundertelange Erfahrungen. Wenn man das studiert, kommt man zu brauchbaren Ergebnissen.
Patentrezepte gibt es zwar nicht. Aber die Linie ist klar: Dauerevaluierung, welche Arbeitskräfte im Inland tatsächlich benötigt werden. Man sucht sich dann nach etablierten Auswahlkriterien die Besten und Integrationsfähigsten aus.

Das ist ein sehr egoistisches, aber auch sehr wirksames Prinzip. Das kann man auch Inländern verständlich machen. Leute, die straffällig werden – im Sinne von gerichtlich zu verfolgenden Delikten gewisser Schwere – oder sich mit den Grundwerten unserer Gesellschaft – einschließlich Emanzipation der Frau, Trennung von Religion und Staat, Meinungsfreiheit etc. – nicht identifizieren können, die müssen aber auch wieder gehen, besser: Sie sollen gar nicht erst kommen. Für Illegalität, wie gesagt nur ab einem gewissen Schweregrad, und für Verwerfung unserer Grundwerte kann null Toleranz nicht falsch sein.
Das Konzept des wehrlosen Friedensengels, des Appeasements gegenüber Radikalismen, der Toleranz gegenüber der Intoleranz führt nur zu Konflikten.

Ein Aufnahmekontingent für jene, die es am allernotwendigsten haben, muss ebenfalls bereitstehen. Das aber ist Sache der Asyl- und nicht der Fremdenpolitik, das wird dauernd und fatalerweise vermischt.

Es geht also darum, Folgendes klar zu machen: weitgehend an Eigeninteressen ausgerichtete Einwanderungspolitik mit klaren Regeln einerseits. Humanitäre Hilfe für eine definierte Menge (und zwar wirklich – heißt: keine Lagersituationen und Arbeitsverbote mit ewigen Wartezeiten) andererseits. Dazu eine ausreichende Dotierung. Und dann: Linie halten. Das ist alles viel billiger als halbfaule Lösungen und unklare Verhältnisse. Menschlich und ökonomisch.

Warum wir Zuwanderung brauchen, wann Sozialleistungen nicht gebühren und wo das Kopftuch-tragen problematisch ist. – Plädoyer aus den Reihen des Koalitionspartners, in der Integrationspolitik "Klartext zu reden" – von Johannes Hahn

Beim Ausblick auf die kommende Wahlauseinandersetzung zum Thema "Ausländer" bzw. "Integration" kommt einem jetzt schon das Grauen: Auf der einen Seite die rechten Hetzer, die auf dem Rücken von Menschen ihr billiges Geschäft mit billigem Populismus machen; auf der anderen Seite verbohrte multikulturelle Ideologen, die den Glassturz der gutmenschlichen political correctness über religiös oder kulturell begründete Praktiken von Zuwanderern halten, die nichts außer inakzeptabel sind. Es ist hoch an der Zeit, über die Wirklichkeit von Migration und Integration Klartext zu reden.

- Wir brauchen Zuwanderung. Ohne Zuwanderung sehen wir bald ziemlich alt und klein aus. Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit erfordern eine positive Bevölkerungsentwicklung. Daher ist klar: Qualifizierte und qualifizierungsorientierte Zuwanderung ist für Österreich ein Gewinn – und wichtiger denn je. Deshalb ist auch die lückenlose Integration der Kinder von Zuwanderern in unser Bildungssystem unverzichtbar. HC Strache & Co gaukeln der Bevölkerung eine Zukunft ohne Zuwanderung vor.

Das ist blanker Unfug. Die rechten Hetzer sind eine Bedrohung nicht nur für unseren Intellekt, sondern auch für die Zukunft des Wirtschafts- und Sozialstandortes Österreich.

- Wir spüren in unserer Gesellschaft die Sorge um einen kulturellen Rückschritt.

Die jahrelange gesellschaftspolitische Hegemonie der linken Multikulti-Träumer hat dazu geführt, dass sich unter dem Deckmantel der kulturellen Andersheit in unserer Gesellschaft kultureller Rückschritt breit machen konnte. Es gibt etwa kulturell definierte Räume, in denen es religiös oder kulturell legitimiert ist, Frauen schlechter zu behandeln als Männer – und wo dieser Ordnung Vorrang vor der Werteordnung des Rechtsstaates eingeräumt wird.

Die Schlechterbehandlung der Frau hat viele Gesichter. Zwangsbeschneidung, Zwangsverheiratung, Gewalt gegen Frauen oder Zwangsverschleierung sind nur die traurigsten davon. Das Verwehren von Bildungsmöglichkeiten für Mädchen oder das Verbot, an schulischen Angeboten wie dem Schwimmunterricht teilzunehmen, sind kulturelle Rückschritte, die immer mehr Menschen Unbehagen bereiten. Wir hören aus dem schulischen Bereich, dass junge, männliche Muslime den Anordnungen einer Lehrerin mit dem Argument nicht nachkommen, "weil man nicht tun muss, was eine Frau sagt". Wir hören aus Betrieben, dass Arbeiter weibliche Vorgesetzte mit dieser Begründung nicht akzeptieren. Für solche Haltungen darf es keine Toleranz geben.

- Wir brauchen wirksame Sanktionen für mangelnde Integration. Kultureller Rückschritt muss stärker als bisher geahndet werden. Wenn jemand aus einer Gesellschaft zuwandert oder einer Kultur entstammt, in der etwa die Schlechterstellung der Frau nicht als Diskriminierung verstanden, sondern als tradierte kulturelle Norm akzeptiert und praktiziert wird, dann hat diese Person gefälligst zu akzeptieren, dass das hier nicht so ist – und muss ihre Wahrnehmung und ihr Verhalten entsprechend verändern.

Wer bei uns leben will, muss sich entsprechend unserer Werteordnung verhalten.

Wer das nicht tut, soll mit konsequenten Sanktionen rechnen müssen. Ein Beispiel: Wenn bei Kindern von Zuwanderern mangelnde Deutschkenntnisse festgestellt werden – die schulischen und später beruflichen Erfolg massiv behindern -, deren Eltern sie aber trotzdem nicht Förderkurse besuchen lassen, dann soll den Eltern die Familienbeihilfe gestrichen werden. Sie sollen erst dann wieder in den Genuss der Familienbeihilfe kommen, wenn ihre Kinder Förderkurse besuchen – und damit ein Grundstein für erfolgreiche Integration und sozialen Aufstieg gesichert ist.

Nach diesem Vorbild sind zahlreiche Sanktionen vorstellbar, die die "Integration nach oben" fördern.

- Das Tragen des Kopftuches aus religiösen Gründen ist eine Entscheidung, die zu respektieren ist. Nicht jede Muslima, die ein Kopftuch trägt, wird dazu gezwungen. Aber um dem tendenziellen Gefühl in der Bevölkerung einer schleichenden Transformation zu begegnen, ist es wichtig, Signale zu setzen. Eines davon kann das Verbot des Tragens von Kopftüchern im öffentlichen Dienst sein.

Daher sollen Personen, die im staatlichen Bereich tätig sind (zum Beispiel Schulen, Verwaltung), während der Ausübung ihrer Tätigkeit kein Kopftuch tragen dürfen. Dies gilt natürlich nicht für Religionslehrerinnen. Diese Regelung bringt Klarheit und die sichtbare Trennung von Religionsausübung und öffentlicher Ordnung – und ist damit auch Signal, dass die Moderne bei uns weiter Vorrang hat.

Ein klares Bekenntnis zu Zuwanderung und "Integration nach oben" sowie ein wirksames Sanktionssystem gegen kulturellen Rückschritt: Das ist die Grundlage dafür, dass wir unseren modernen Lebensstil und unsere liberale Demokratie sicher für die Zukunft machen. Auf die "Hilfe" linker Träumer und rechter Hetzer können wir dabei gerne verzichten. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.9.2008)