In der Nacht auf Dienstag ist es in Bangkok zu Straßenschlachten zwischen Anhängern der Regierung und ihren erbitterten Gegnern von der „Volksallianz für Demokratie“ (PAD) gekommen. Rund 40 Personen wurden verletzt. Ein Thai wurde mit Kopfverletzungen ins Spital gebracht und verstarb wenig später. Die Kämpfe, die sich vor allem im Regierungsviertel entlang der Ratchdamnoen-Straße abspielt hatten, eskalierten, nachdem die Demonstranten einander mit Golfschlägern, Holzprügeln und Steinschleudern bekämpften.
Die Polizei ging dazwischen. Sie wird nun – nach Ausrufung des Ausnahmezustands in Bangkok – von Einheiten des Militärs unterstützt. Premierminister Samak Sundaravej sagte am Dienstag in einer Ansprache: „Niemand hat das Recht, so zu handeln wie die Gegner dieser Regierung.“ Der als politischer Hardliner bekannte Politiker erklärte, er habe keine andere Wahl gehabt, als über Bangkok den Ausnahmezustand zu verhängen. Dieser werde aber nur für ein paar Tage gelten, denn „das Leben geht weiter“. Die Medien dürfen nur eingeschränkt berichten, und Schulen bleiben geschlossen.
Verbot von Versammlungen
Das Militär erhielt umfassende Kompetenzen: Es übernimmt neben der Polizei die Sicherung der öffentlichen Ordnung; Versammlungen von mehr als fünf Personen werden aufgelöst. Armeegeneral Anupong Paojinda sagte, dass die Soldaten aber unbewaffnet seien. Er wies auch Befürchtungen über eine neuerliche Machtübernahme der Armee zurück. Letzten Freitag hatte Anupong es noch abgelehnt, das Militär zur Schlichtung der Auseinandersetzungen aufmarschieren zu lassen.
Die Volksallianz, ein außerparlamentarisches Bündnis aus Intellektuellen, Königstreuen und Vertretern der Mittelschicht, will sich von der Präsenz des Militärs nicht abschrecken lassen. Anführer der PAD munterten ihre Leute auf: „Es gibt nicht genug Gefängnisse, in die sie uns stecken könnten“, rief der Ex-General Chamlong Srimuang ihnen zu. Und Sondhi Limthongkhul, Medienunternehmer und Stimmungsmacher der PAD, versprach: „Wir machen weiter, bis Samak zurücktritt.“ Der Premierminister wiederum lehnt diese Forderung strikt ab. Er beruft sich darauf, demokratisch gewählt zu sein. Die regierende Mehrparteienkoalition musste am Dienstag noch andere schlechte Nachrichten hinnehmen: Die staatliche Wahlkommission empfahl die Auflösung der People Power Party unter Samak wegen Wahlbetrug durch Stimmenkauf – das Oberste Gericht wird dazu in den kommenden Monaten ein Urteil fällen. Die Partei will sich für den Fall ihrer Auflösung bei einem der fünf kleinen Koalitionspartner integrieren. Die Regierung ist gezwungen, ihren Amtsgeschäften in einem Militärgebäude nachzugehen, weil ein paar tausend PAD-Anhänger seit mehr als einer Woche ihren offiziellen Amtssitz belagern.
Politisches Patt
Thailands politische Lager stecken in einer Pattsituation, aus der beide Seiten nicht ohne Gesichtsverlust entkommen können. Der unheilbare Riss durch die Gesellschaft geht auf die Regierungszeit von Thaksin Shinawatra ab 2001 zurück. Der charismatische Selfmade-Milliardär erfreute sich breiter Zustimmung bei der ländlichen Bevölkerung, umso größer wurde der Widerstand des Establishments in Bangkok. Damals, Monate bevor Thaksin im September 2006 aus dem Amt gejagt wurde und das Militär für ein Jahr die Geschicke Thailands übernahm, gründete sich die PAD. Nicht zuletzt ihrer Mobilisierung in jenen Tagen war es zu verdanken, dass Thaksin gehen musste. Bei Neuwahlen Ende 2007 ging die People Power Party, die Nachfolgerin der verbotenen Thaksin-Partei, als Wahlsieger hervor. Die PAD beschuldigt Regierungschef Samak, der Handlanger Thaksins zu sein. Thaksin selbst ist vor ein paar Wochen ins Exil nach London geflüchtet, um sich so einem Korruptions- und Betrugsverfahren zu entziehen. Die Turbulenzen wirken sich mittlerweile auf das vom Tourismus abhängige Land spürbar aus: Wegen Streiks liegen Teile des öffentlichen Verkehrsnetzes darnieder. Erste Stornos von Touristen wurden registriert. Der Flughafen in Phuket war vergangene Woche vorübergehend geschlossen, nachdem an die 5000 Demonstranten auf die Startbahn gerannt waren. Ansonsten nimmt das Leben aber seinen üblichen Gang, Geschäfte und Restaurants in Bangkok sind nach wie vor geöffnet. (Andrea Waldbrunner aus Bangkok, DER STANDARD, Printausgabe, 3.9.2008)