Denk ist Sängerin der Band "DENK".

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Birgit Denk: "Ich persönlich hätte es geschmackvoller gefunden, wenn Neuwahlen schon früher gewesen wären."

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Für die dieStandard-Serie zum Phänomen Politikverdrossenheit wurde diesmal Birgit Denk zum Gespräch gebeten. Beate Hausbichler sprach mit der zu der "aussterbenden" Gruppe der StammwählerInnen gehörenden Musikerin über Selbstverständlichkeiten ihrer Generation und die politischen Folgen, den Einfluss der Regierungen auf ihre künstlerische Arbeit und funktionierende Quoten.

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dieStandard.at: Gehen Sie am 28. September wählen?

Birgit Denk: Ja selbstverständlich!

dieStandard.at: Also keine Spur von Politikverdrossenheit bei Ihnen? Wie sieht es damit in Ihrem Umfeld aus?

Birgit Denk: Ich bin selbst ein sehr politischer Mensch und bewege mich in einem politisch interessierten Umfeld. Was mir aber auffällt ist, dass zwar bei den Leuten die Bereitschaft da ist Wählen zu gehen, viele aber absolut nicht wissen, welche Partei sie wählen sollen. Das hab ich so bisher bei anderen Wahlen nicht wahrgenommen. Ich verstehe es aber, denn die Angebote sind mittlerweile derart flach. Viele wissen nicht, wo die Unterschiede liegen, oder man weiß nicht, was das alles bringen soll, weil man keine Ahnung hat, wie sich nach der Wahl Koalitionen gestalten.

dieStandard.at: Das Angebot an unterschiedlichen Parteien ist ja sehr groß.

Birgit Denk: Ja - aber es sagen doch alle dasselbe! Mit kleinen Abstrichen halt.

dieStandard.at: Wie stehen Sie generell zu den Neuwahlen?

Birgit Denk: Ich persönlich hätte es geschmackvoller gefunden, wenn Neuwahlen schon früher gewesen wären. Ich will mich ja hier nicht als hellseherisch darstellen, aber ich hab mir schon damals gedacht - bei diesem ganzen Koalitionshickhack, bei dem die Parteien offensichtlich überhaupt nicht miteinander konnten und dann doch wieder zusammenarbeiteten - dass das nicht lange hält. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob diese Wahlen jetzt richtungweisend sind oder ob ein noch größeres Chaos entsteht - ich lass mich überraschen.

dieStandard.at: Wir befinden uns mitten im Wahlkampf. Lassen Sie sich von Fernsehdiskussionen, Wahlplakaten und ähnlichem noch beeinflussen?

Birgit Denk: Ich würde jetzt lügen, wenn ich sage, es war Absicht, aber ich fahre bald für zwei Wochen nach Griechenland. Ich bin nicht unglücklich darüber, dass ich diese heiße Phase des Wahlkampfes nicht mitbekomme.
Ich weiß, wen ich wählen werde und darum ist mir wurscht, was da herumdiskutiert wird. Ich bin eine der wenigen aussterbenden StammwählerInnen, die - zumindest auf Bundesebene - immer dasselbe wählt.

dieStandard.at: Hat die jeweilige Bundesregierung auf Ihre künstlerische Arbeit oder Ihr Privatleben Einfluss? Ist die aktuelle Politik also ein Referenzpunkt für Sie?

Birgt Denk: Ich bin mir sehr bewusst, dass die jeweilige Regierung sowohl auf meinen künstlerischen, privaten Bereich sowie auf meinen Werdegang und Umgang Einfluss hat. Als Künstlerin ist für mich etwa wichtig, wie das jetzt mit dieser KünstlerInnenversicherung weitergehen wird, oder wie eine Regierung mit Subventionen umgeht.
Derzeit gibt es ja auch eine Diskussion mit dem Finanzminister darüber, wie das mit den Quotenregelungen für öffentlich-rechtliche Sender aussehen soll. Diese Regelung betrifft eine Übereinkunft von MusikerInnen aus Österreich, die eine Quote für Musik aus Österreich von öffentlich-rechtlichen Sendern fordern. (Anm.: Plattform "Musik von mir") Österreich ist ja an drittletzter Stelle, wenn es darum geht, dass in öffentlich-rechtlichen Sendern Musik von heimischen KünstlerInnen gespielt wird. So etwas hat natürlich für MusikerInnen einen enormen Einfluss. Für bestimmte Rahmenbedingungen braucht man einfach politische Unterstützung. Da gibt es also einige wichtige Dinge, die mich politisch in meiner Arbeit mehr oder auch weniger unterstützen.

dieStandard.at: Apropos Quote: Welche Partei tritt Ihrer Ansicht nach am ehesten für frauenpolitische Themen ein?

Birgit Denk: Ich hab zwar noch kein Programm vom Liberalen Forum gelesen, freue mich aber, dass Heide Schmidt kandidiert, die einzige Spitzenkandidatin! Da fühl ich mich schon mal als Frau bestärkt. Ansonsten sind für mich die einzigen Ernstzunehmenden in dieser Hinsicht die Grünen. Es ist die einzige Partei, die zumindest versucht, quotenmäßig was durchzusetzen, Chancen zu geben und das auch nach außen stark transportiert.

dieStandard.at: Also für Sie ist das schon auch ein Signal, wie so etwas innerhalb der Partei gehandhabt wird?

Birgit Denk: Genau - das ist für mich sehr wichtig. Für mich ist es erwiesen, dass Quoten was bringen, egal ob das die Frauenquote oder die Musikquote oder auch die MigrantInnenquote ist. Bei Letzterer sieht es so aus, dass es auch bei der Bundesliste der Grünen das erste Mal eine hundertprozentige Sicherheit gibt, dass eine nicht in Österreich geborene Frau ins Parlament kommen kann.

dieStandard.at: Vom Wählen gehen mal abgesehen - sehen Sie Alternativen für politisches Engagement?

Birgit Denk: Ich hab den Eindruck, dass die Zeiten der Parteizugehörigkeiten vorbei sind. Bei den Jüngeren fällt mir schon auf, dass deren politisches Engagement sich sehr in so Gruppierungen wie Vier Pfoten, Greenpeace oder Amnesty International kanalisiert - diese Geschichten haben sicher einen stärkeren Zulauf, die ich auch lobbymäßig wichtig finde.

dieStandard.at: Die Hinwendung zu Nicht-Regierungsorganisationen kann auch als Entpolitisierung gesehen werden. Wenn der Eindruck da ist, dass die Politik ohnehin nichts ausrichten kann, wendet man/frau sich NGOs zu. Wie sehen Sie das?

Birgit Denk: Ich verstehe diese Angst, dass die Politik nichts mehr ausrichten kann und sich alles über die Marktwirtschaft reguliert, schon. Aber deshalb kann man sich noch lange nicht zurücklehnen sondern muss ein Gegenmodell entwerfen. Entweder man akzeptiert, dass Nestle oder Schell mein Leben bestimmt oder man will ein starkes Regulativ, das sehr wohl auch da ist, um in die Schranken zu weisen.
In meinem Jahrgang - ich bin ein 71iger Baujahr - sind wir ja alle in die Zeiten der SchülerInnenfreifahrten und Gratis-Schulbücher hineingeboren. Es stand auch außer Frage - mein Vater und meine Mutter waren ArbeiterInnen - ,dass ich Matura mache. Das war normal und deshalb denke ich, dass wir - die 70iger- und 80iger-Jahre Geborenen - dazu tendieren, zu glauben, dass ohnehin alles von den anderen gemacht wird und wir einfach nur konsumieren müssen. Wir wären jetzt aber die, die jetzt damit dran wären zu gestalten - stattdessen wird darauf gewartet, dass das wer anderer macht.
Ich bin aber guter Dinge, dass die 90iger und 00er-Jahre Geborenen da in eine andere Richtung stoßen - ich sehe so was schon in Wellenbewegungen.

dieStandard.at: Noch mal zum alternativen politischen Engagement. Was sieht es denn mit dem musikalischen Protest aus?

Birgit Denk: Naja, der musikalische Protest findet dort statt, wo er gehört wird. Die Punks, die auf der Mariahilferstraße stehen und mit der Gitarre spielen, bevor sie wegen Störung des Geschäftsverkehrs weggstampert werden, sind für mich ProtestliedersängerInnen der heutigen Zeit, auch wenn sie nicht gut spielen und singen.
Auf der anderen Seite gibt es gerade in Österreich eine wachsende und immer stärker einflussnehmende LiedermacherInnenszene. Da gibt es einige, die sehr wohl auch was zu sagen haben. Schade find ich es dann allerdings, wenn bei der SPÖ-Wahlveranstaltung-Rucki-Zucki-Sause in der Stadthalle "Luttenberg und Klug" spielen. Dass eine zwar bekannte aber doch sehr seichte Kinderband bei der SPÖ-Wahlveranstaltung spielt, fand ich schade. Früher wären halt Protestlieder gespielt worden. Wie gesagt gibt es da in Österreich sehr viel, das aber politisch nicht genutzt wird. Aber die können sich schon auch anders Gehör verschaffen, wie etwa beim Protestsongcontest. Der ist ja sehr gut besucht und wenn man sich die Einreichung ansieht: lauter wilde Achtzehnjährige die Musik machen und das ist schön!

(Beate Hausbichler, dieStandard.at, 6.9.2008)