Wenn frühmorgens der Server abstürzt oder Umzüge im Haus anstehen, wenn die Post falsch ankommt, das Kopierpapier ausgeht, Akten unauffindbar sind oder die Klimaanlage streikt, ist Petra Gruber zur Stelle. Als Gruppenleiterin von Systemadministration und Facility Management einer Fahrzeugleasing-Firma sorgt sie für den reibungslosen Büroalltag und ein optimales Arbeitsumfeld von 120 MitarbeiterInnen. Mit der Betreuung von Netzwerk, Telefonie und Elektrik, Empfang, Postdienst, Büroausstattung, Materialwirtschaft, von Aktenarchiven und der klassischen Reinigung ist sie die gefragteste Frau im Unternehmen: "'Im Zweifelsfall Frau Gruber fragen' ist ein oft gehörter Ratschlag", lacht die Abteilungs-Chefin. "Langweilig wird mir nicht: Die Arbeit ist sehr vielseitig, das macht es spannend; viele Aufgaben sind Routine, aber es warten auch täglich neue Herausforderungen. Sämtliche Anliegen, die an mich herangetragen werden, haben in irgendeiner Form mit Wohlfühlen am Arbeitsplatz zu tun - all diese kleinen und größeren Wünsche zu erfüllen, da gehört auch viel Beziehungsmanagement dazu."
Einen "klassischen" Arbeitstag gibt es kaum, unterstützt wird die Chefin von acht MitarbeiterInnen: "Ich habe täglich mit fast allen Abteilungen zu tun, bin neben der PC-Arbeit auch viel im Haus unterwegs, da muss ich flexibel sein. Dabei versuche ich, Prioritäten zu setzen: Was muss gleich gemacht werden, was kann warten. Konzeptionellen Aufgaben wie dem Erstellen technischer Lösungen widme ich mich am liebsten abends, wenn es im Büro ruhig geworden ist und das Telefon nicht mehr dauernd klingelt." Wichtig ist ihr, alle Anfragen ernst zu nehmen - und geduldig zu bleiben, auch wenn mehrmals wegen einer Sache nachgefragt wird, die bereits behoben wird: "Ich bin eine lösungsorientierte Kümmerin - die Anliegen von Kollegen sind mir genauso wichtig wie jene von externen Kunden. Was ich nicht selbst erledigen kann, leite ich unmittelbar an meine Mitarbeiter weiter."
Erfolgreiche Quereinsteigerin
Dass sie einmal als Führungskraft erfolgreich tätig sein würde, gar im Bereich Systemadministration, hätte sich die 34-jährige Quereinsteigerin nicht gedacht. Als gelernte Fotografin hatte Petra Gruber nach dem Abschluss der Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt vergeblich versucht, in ihrem Traumberuf Fuß zu fassen: "Die Chancen, einen Fotografie-Job zu bekommen, von dem ich leben kann, standen damals schlecht, also musste ich mich nach einer Alternative umsehen." Sie arbeitete zunächst in einem Call-Center, wechselte dann in die Fahrtendisposition eines Fuhrparks mit 2000 bis 4000 Fahrten täglich. "Die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, sind heute sehr wertvoll für mich: Sie helfen mir, zu verstehen, was Mitarbeiter im Call-Center, am Empfang, in der Poststelle brauchen, um ihren Job gut machen zu können." Durch einen Freund begann sich Petra Gruber für Computer und Informationstechnologien zu interessieren, sie entschied sich für eine AMS-Umschulung zur System-Administratorin - von wo sie wegen ihrer herausragenden kommunikativen Fähigkeiten direkt in die Praxis abgeworben wurde: "Man hat mir einen Job im Verkauf angeboten, mich hat aber die technische Seite mehr gereizt, also startete ich als Assistentin des IT-Leiters, wo ich Programme für den Office-Bereich schrieb, um Arbeitsabläufe zu optimieren."
Handeln statt meckern
Als externe Mitarbeiterin betreute sie von Beginn an auch die Firma, in der sie heute tätig ist. Bald wurde sie in die dortige IT-Abteilung übernommen, 2006 bekam sie ihre erste Führungsposition als Teamleiterin der Systemadministration angeboten: "Meinen Chef hat beeindruckt, dass ich immer konstruktiv meine Meinung gesagt habe, dass ich nicht nur 'gemeckert', sondern Verbesserungsvorschläge gemacht und Lösungen präsentiert habe und dass ich auch unpopuläre Aufgaben in der Abteilung übernommen habe." Nach Postdienst, Empfang und Materialwirtschaft wurde ihr Mitte 2007 auch der Rest des Facility Managements übertragen; heute untersteht Petra Gruber direkt dem Geschäftsführer.
Benachteiligt hätte sie sich als Frau in einem männerdominierten Berufsfeld nie gefühlt: "Das Problem war eher, als Quereinsteigerin, die von der Assistentin zur Teamleiterin aufsteigt, akzeptiert zu werden. Ich habe jedoch nie ein Hehl daraus gemacht, weniger zu wissen als gelernte Techniker. Meine Aufgabe sehe ich darin, Entscheidungen zu treffen und Innovationen wirtschaftlich für das Unternehmen umzusetzen – Verständnis und fundiertes Grundwissen für die Materie müssen natürlich da sein, aber ich kann mich nicht in jedem technischen Detail auskennen." Was sie ärgere, sei die Bezahlung nach Abschluss, statt nach Leistung: "Dass Akademiker für die gleiche Arbeit mehr Geld bekommen, empfinde ich als Affront."
Prinzipiell glaube sie, dass Frauen ihr Wissen in der IT mehr unter Beweis stellen müssen als Männer: "In Weiterbildungsseminaren war ich schon mehrmals die einzige Frau unter fast 100 Männern. Man muss sehr selbstbewusst auftreten, um da nicht übersehen oder gar übergangen zu werden." Sie selbst bemühe sich als Chefin bei der Nachbesetzung von IT-MitarbeiterInnen um absolute Gleichberechtigung: "Bei gleicher Qualifikation ist für mich nicht das Geschlecht, sondern das persönliche Auftreten ausschlaggebend." Als die Wahl letztens auf eine Frau fiel, sei das bei den männlichen Mitarbeitern in der Abteilung zwar zunächst auf Widerstand gestoßen - mann wollte jemanden, der "anpackt" -, "mittlerweile ist die Kollegin aber eine solche Entlastung für das Team, dass die Männer zugeben, sich mit ihrer Meinung geirrt zu haben."
Menscheln lassen
Als Chefin legt Petra Gruber großen Wert auf ein humanes Miteinander: "Kritik muss sein, Fehler müssen angesprochen werden, aber auf das 'Wie' kommt es an." Ausgleich zum Job findet sie bei Familie und FreundInnen, in guten Gesprächen, beim Lesen und Grillen im Garten und bei Spaziergängen mit dem Hund. "Obwohl ich den Laptop jederzeit dabei habe, bemühe ich mich, dass es nicht zur Gewohnheit wird, die Firma mit nach Hause zu nehmen. Meine Mitarbeiter bewundern oft meine Ruhe und dass ich Stress nicht nach außen an sie weitergebe - das geht nur, weil ich versuche, jeden Augenblick meiner Freizeit bewusst zu genießen um dann gestärkt wieder an die Arbeit zu gehen." (Isabella Lechner/dieStandard.at, 3.9.2008)