Martin Balluch und seine Mitstreiter sind vorerst frei, und Peter Pilz singt am lautesten den Abgesang auf den "Schandparagrafen": Tag eins im Postskandaltaumel um die Tierschützer. Die Grünen haben endlich ein griffiges Wahlkampfthema: Der Paragraf muss weg, dann wird alles gut. Das klingt richtig - ist aber leider falsch.
Im Zusammenhang mit den viel zu lange in U-Haft dunstenden Tierschützern war viel vom "Terrorparagrafen" die Rede, der missbräuchlich angewendet worden sei. Schon die Bezeichnung ist irreführend. Der Staatsanwalt wirft den Tierschützern keineswegs vor, eine "terroristische Vereinigung" gegründet zu haben (Paragraf 278b) - vielmehr ging es um den Verdacht, eine "kriminelle Organisation" (278a) sei am Werk gewesen. Bis dato gibt es dafür keinen stichhaltigen Beweis. Es gibt aber auch keinen Gegenbeweis, dass die Polizei das Gesetz missbraucht habe, um harmlose Anti-Pelz-Demonstranten aus dem Weg zu räumen, die einer Textilkette im Weg standen.
Der Gesetzgeber hat sich etwas dabei gedacht, als er das Gesetz vor sechs Jahren schuf: Erstens braucht der Rechtsstaat Möglichkeiten, um der organisierten Kriminalität beizukommen. Zweitens hatte man sich nach 9/11 in der EU geeinigt, der Terrorgefahr auch legistisch zu begegnen.
Die Justiz hat sich im Fall der Tierschützer selbst keinen guten Dienst erwiesen: Sie hat gepatzt, sie hat bei der Ausdehnung der U-Haft alle Schmerzgrenzen überschritten und die Argumente der Gegner des umstrittenen Paragrafen voll bestätigt. Trotzdem: Deshalb gleich das ganze Gesetz zu beerdigen wäre maßlos überreagiert. (Petra Stuiber, DER STANDARD-Printausgabe, 4. September 2008)